Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
sicher. Sie genoss die fröhliche und familiäre Atmosphäre in dem prachtvoll weihnachtlich geschmückten Haus, die langen Gespräche am Kamin und die vorbehaltlose Sympathie, die die Downeys ihr entgegenbrachten und die Alex von Herzen erwiderte. Einmal hatte sie mit Madeleine und Trevor über Sergio gesprochen, weil sie fand, dass ihre Freunde ein Recht darauf hatten, darüber Bescheid zu wissen. Beklommen hatte sie die Reaktion der beiden erwartet und hatte sich innerlich auf offene Ablehnung gefasst gemacht, aber die Downeys akzeptierten es, ohne zu urteilen.
»Ich bin entsetzlich aufgeregt«, sagte Madeleine zu Alex, als sie den Strand erreicht hatten und nebeneinanderherritten. »Seit 18 Jahren organisiere ich nun diese Christmas Party und jedes Mal habe ich wieder Angst, dass etwas schiefgeht.«
»Ach was, Maddy«, Alex grinste, »was soll denn schiefgehen? Ihr seid ein eingespieltes Team, außerdem bin ich ja da, um dir beizustehen.«
»Dafür bin ich dir sehr dankbar«, Madeleine seufzte, aber dann lachte sie, »du bist so praktisch und behältst immer den Überblick. Ich drehe sofort durch.«
»Es ist mein Job, immer die Nerven zu bewahren, selbst wenn es drunter und drüber geht.«
»Stell dir vor: Sogar Cliff Gordon und seine Frau kommen mit dem Hubschrauber von Martha’s Vineyard rüber.«
»Oh«, Alex wusste, dass Trevor ein Studienfreund von Robert Gordon, dem jüngeren Bruder des Präsidenten war, und die Familien, die beide zum amerikanischen Adel gehörten, seit Generationen befreundet waren, »ihr seid wirklich unglaublich vornehm.«
»Ach, hör auf zu spotten!« Madeleine grinste. »Du kennst doch mindestens genauso viele wichtige Leute.«
»Lass uns ein Stück traben«, schlug Alex vor, die lieber nicht über die wichtigen Leute sprechen wollte, die sie kannte. Die steife Brise, die vom Atlantik kam, wühlte das graue Meer auf und ließ hohe Wellen an den Strand rollen. Die salzige Gischt der Brandung wehte den beiden Frauen ins Gesicht. Alex atmete tief durch und lächelte. Hier, im Pferdesattel, den kalten Wind im Gesicht und das schier endlos weite Meer vor Augen, konnte sie alle Sorgen für eine Weile vergessen und sich wieder so frei und unbeschwert fühlen, wie als Kind. Die Möwen kämpften mit traurigen Schreien gegen den Wind an. Der Strand erstreckte sich meilenweit bis hinauf nach Montauk. Oben auf den Dünen standen hin und wieder prachtvolle Villen, deren Bewohner um diese Uhrzeit noch tief und fest schliefen. Alex’ Pferd machte übermütige Bocksprünge. Es wollte galoppieren.
»Lass ihn nur laufen«, sagte Madeleine, »ich komme nach.«
Die beiden Reiterinnen hatten die weite Bucht der Stony Bay erreicht.
»Okay!« Alex zwinkerte der Freundin zu. »Dann los!«
Der Fuchswallach stob los wie mit einem Kickdown und ein unerfahrener Reiter wäre bei dieser plötzlichen Beschleunigung unweigerlich aus dem Sattel geschleudert worden. Alex jedoch beugte sich nach vorne und hielt sich nur mit Knien und Schenkeln fest. Nun hatte das Pferd keine Zeit mehr zu bocken! In weit ausgreifenden Galoppsprüngen donnerte es mit gespitzten Ohren den Strand entlang, mit dem Sturmwind und den Möwen um die Wette. Schneller, schneller! Sie lachte glücklich. Der Wind trieb ihr die Tränen in die Augen, sie duckte sich über den Hals des Pferdes und freute sich an seiner herrlichen, geschmeidigen Kraft. Zwei frühe Spaziergänger, die mit einem Retriever in den Dünen unterwegs waren, starrten ihr entgeistert nach, als sie wie eine fleischgewordene Walküre an ihnen vorbeijagte. Sie ließ das Pferddie ganze weite Stony Bay umrunden, bevor sie allmählich das Tempo drosselte und sich umblickte. Die beiden Spaziergänger mit dem Retriever waren nun am Strand und Alex sah, dass Madeleine neben ihnen angehalten hatte und mit ihnen sprach. Sie ließ ihr Pferd wieder angaloppieren. Bei dem wilden Galopp vorhin hatte sich das Haarband aus ihrem Pferdeschwanz gelöst, und nun flatterte ihr blondes Haar wie der blonde Schweif des Pferdes im eisigen Dezemberwind. Madeleine winkte Alex zu und diese parierte den Fuchs ein paar Meter vorher durch, als sie bemerkte, dass die beiden Fußgänger respektvoll zurückwichen. Atemlos und mit geröteten Wangen hielt sie ihr Pferd schließlich an.
»Kann sie nicht einfach sagenhaft reiten?«, sagte Madeleine zu dem Ehepaar. Alle drei sahen Alex mit unverhohlener Bewunderung zu, wie sie das nervöse Pferd beruhigte.
»In der Tat«, sagte der Mann,
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