Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
ihnen.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Bürgermeister?«
»Nennen Sie mich Nick«, antwortete er, »›Bürgermeister‹ klingt so förmlich.«
»Gut«, Alex hob die Schultern, »Nick. Was kann ich also für Sie tun?«
»Ich weiß nicht, ob Sie etwas für mich tun können«, Nick schlug seine Beine übereinander und sah sie wieder so durchdringend an, dass ihr unwohl wurde. Am liebsten wäre sie aufgestanden und weggerannt.
»Ich kenne Sie kaum«, fuhr Kostidis fort, »ja, eigentlich überhaupt nicht. Allerdings verfolge ich Ihren beruflichen Werdegang schon seit einiger Zeit mit großem Interesse in der Presse. Und meine Freunde Trevor und Madeleine schwärmen in den höchsten Tönen von Ihnen.«
»Aha«, Alex war auf der Hut.
»Sie sind eine erfolgreiche Frau. Intelligent, ehrgeizig und mutig.«
»Und Sie fragen sich, warum ich mit Vitali zu tun habe«, unterbrach sie ihn kühl. »Das ist es doch, worauf Sie hinauswollen, oder?«
Kostidis ließ es sich nicht anmerken, wenn er überrascht war, doch dann nickte er langsam.
»Ich weiß, was Sie von ihm halten«, sagte Alex, »und wahrscheinlich halten Sie auch dasselbe von mir.«
Sie sprang auf und trat ans Fenster.
»Nein!« Kostidis schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr! Wie gesagt, ich kenne Sie nicht, Alex, ich weiß über Sie nur, was die Zeitungen schreiben und was meine Freunde, die Downeys, über Sie sagen, und deshalb ...«
Alex drehte sich wieder um und sah den Mann an, der sie gleichermaßen beeindruckte und verunsicherte.
»Ja?« Sie versuchte, ihre gewohnte Selbstsicherheit zurückzugewinnen, doch ihre Stimme klang zu ihrer Verärgerung dünn.
»Alex«, Kostidis beugte sich vor und sah sie eindringlich an, »es liegt mir fern, mich in Ihr Privatleben einzumischen.«
»Das geht Sie auch überhaupt nichts an«, entgegnete sie schroff. Kostidis hörte auf zu lächeln.
»Sergio Vitali«, sagte er mit ruhiger Stimme, »ist ein sehr gefährlicher Mann. Viele Leute halten mich für besessen, weil ich seit Jahren versuche, ihn für seine kriminellen Machenschaften zur Rechenschaft zu ziehen. Ich weiß eine ganze Menge über ihn und seine Geschäfte, aber leider konnte ich ihm bisher nie etwas nachweisen. Vitali schreckt nicht davor zurück, seine Machtstellung mit Gewalt zu verteidigen. Wir hatten schon oft etwas gegen ihn in der Hand, aber plötzlich verloren wichtige Zeugen über Nacht ihr Gedächtnis oder sie verschwanden einfach. Manche wurden wiedergefunden. Als Leichen.«
Alex’ Knie wurden weich. Er ist erledigt. David Zuckerman wird kein Sterbenswörtchen mehr sagen ... Sie spürte wieder das Entsetzen und die Übelkeit. Sie wusste nur zu gut, dass Kostidis die reine Wahrheit sagte.
»Wieso erzählen Sie mir das alles?«, wollte sie wissen.
»Ich möchte, dass Sie meine Situation verstehen«, erwiderte er leise. »Es ist keine persönliche Sache zwischen Vitali und mir, wie die Medien immer behaupten. Es geht um viel mehr. Einermeiner Vorgänger nannte New York ›unregierbar‹. Ich habe geglaubt, ich könnte die Verschuldung, die schlechte Infrastruktur, die katastrophalen sozialen Unterschiede in den Griff bekommen. Dafür arbeite ich sehr hart und ich habe schon viel verbessern können. Aber das schlimmste Übel ist die Korruption. Vitali ist nur deshalb so unantastbar, weil er viele einflussreiche Politiker und Richter besticht. Bis zu einem gewissen Grad kann ich durchaus mit Korruption leben, aber nun befürchte ich, dass Vitali einen Spitzel ganz in meiner Nähe hat, durch den er Dinge erfährt, die er nicht erfahren soll.«
Er machte eine Pause und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er sah müde aus.
»Am 15. August«, sagte Nick Kostidis, »wurde ein Mann erschossen. Er war noch jung, er hatte eine Frau, die nun Witwe ist, und zwei kleine Kinder, die ein Mörder zu Halbwaisen gemacht hat.«
Alex schluckte. Die kalte Angst ballte sich in ihrem Magen zusammen wie eine Faust. Sie wusste, wer der Mörder von Zuckerman war. Sie wusste, wer ihm den Auftrag gegeben hatte. Genau genommen war sie verpflichtet, der Polizei ihr Wissen mitzuteilen, aber davor fürchtete sie sich. Sergio würde erfahren, was sie getan hatte, und dann war ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert. Selbst wenn sie wollte, konnte sie Kostidis nicht helfen.
»Dieser Mann«, fuhr der Bürgermeister fort, »hätte mit seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss Vitali empfindlich geschadet. Das wussten wir, und deshalb haben wir ihn unter
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