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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Unglücklichen können sich später vor Schwäche kaum auf den Beinen halten, als man sie da-vontreibt. Es rührt die Berittenen nicht. Unnötig, Dor-nen- und Distelhecken zu umgehen. Hindurch! Kleider zerreißen zu Lumpen, Hautfetzen bleiben an Stacheln Zurück. Bergauf, bergab geht es. Rast wird nicht gemacht. Und die Sonne sticht. Über dem gelben Sand wogen Hitzeschwaden.
    Benedetto Mezzo, der unverwundet ist, nur einen Schlag über den Kopf erhalten hat, hält sich noch am besten von allen, obwohl die überstandene Krankheit auch seine Kraft stark gemindert hat.
    Ein Fluß taucht vor der unglücklichen Schar auf. Die Gefangenen stutzen, schrecken zurück, dann stürzen sie sich wie Irre das flache Ufer hinunter. Wasser, Wasser, grölen ausgedörrte Kehlen. Ein Wirbel entsteht. Die Reiter schwingen ihre Peitschen, schlagen zu, wohin, wen, ist gleichgültig. Sie befürchten eine Revolte der Seeleute. Doch die Unglücklichen denken nur an das Wasser.
    An nichts sonst. In vollen Zügen trinken sie. Trinken, bis sie nicht mehr können. Welche verheerende Wirkung ihre Ungezügeltheit auf den Körper ausüben kann, danach fragen sie nicht. Sie sind nichts als Sklaven, das Leben ist wertlos geworden.
    Tagelang geht es vorwärts. Die Ebene von Metijiah liegt hinter ihnen. Zurückgeblieben sind zwei Kameraden. Ohne Grab, ohne Steinschutz für die entseelten Körper. Über dem Zug kreisen in ruhigem Flug Adler und Geier. Ihren scharfen Augen entgeht keine Bewegung am Boden.
    Halbschlafend schon würgen die Unglücklichen abends die letzten Bissen der kärglichen Verpflegung hinunter.
    Schlafen, ruhen wollen sie. Schlaf ist wichtiger als Essen; denn morgen beginnt die Qual von neuem.
    Der Anblick der Berge der Teil-Kette läßt den letzten Rest des Mutes in Benedetto zum Nichts werden. Die Berge sind nicht anders als die Menschen: furchtbar.
    Und immer weiter. Vorwärts! Den ganzen Tag über brüllen die Wächter, drohen, strafen. Wenn einer der Unglücklichen kraftlos zu Boden sinkt, nicht mehr kann, büßen es die anderen. So zieht man den Kameraden hoch, stützt ihn, schwankt zusammen mit ihm den endlo-sen Weg, über Stock und Stein, weiter.
    Eine Erlösung ist der Anblick des Lagers. Ein Dach über dem Kopf, wenigstens etwas. Kaum einer der fünf-zehnhundert Sklaven dreht den Kopf nach den Neuan-kömmlingen um. Die Menschen sind unfähig geworden, anderer Leid mitzufühlen.
    Eisenketten werden gebracht. Je zwei Sklaven schmiedet man zusammen. Wenn die Leute der »Astra« gehofft hatten, wenigstens im Unglück vereint zu bleiben, so sahen sie sich getäuscht. Bevor sie sich noch einen Gruß, einen guten Wunsch zurufen konnten, waren sie getrennt. Alles geschah im Augenblick.
    Benedettos Kettengenosse ist ein Spanier. Nicht einmal sprechen kann man mit ihm. Er versteht kein Wort italienisch, ist auch erst einige Wochen hier.
    Absicht? Ja. Nie werden zwei Landsleute zusammen-gekettet, so erfährt Benedetto später.
    Parvisis Diener ist todunglücklich. Tränen rollen in seinen verwilderten Bart. Er schluchzt wie ein Kind. Kind war er, als er das letztemal weinte.
    Ein kräftiger Ruck. Benedetto brüllt auf. Der Eisenring hat ihn am Knöchel verwundet. Unverständliches Zi-schen und Fauchen des Spaniers. Gib Ruhe! bedeutet es.
    Der so bitter notwendige Schlaf nach der maßlosen Erschöpfung flieht den Italiener in dieser Nacht.
    Als er sich endlich etwas beruhigt hat, glaubt, nun schlafen zu können, kommt der Befehl zum Aufstehen.
    Plötzlich sind überall Wächter, die blindlings drauflos-schlagen, wenn sich ein Sklave nicht sofort erhebt.
    Der Spanier zerrt an der Kette, schleift Benedetto mit sich fort. Es gilt, die Essenausgabe nicht zu verpassen.
    Schlüge irgendwo eine Uhr, sie brauchte es nur zweimal zu tun.
    Ein Tag wie jeder andere hat für die vielen Sklaven begonnen.
    Es wird lange dauern, bis Benedetto Mezzo soweit ist, einen Tag wie den anderen anzusehen.

    EINE HAND HOLT AUS
    Ein spöttischer Zug huscht um Gravellis Mundwinkel, zeigt sich in den leicht zusammengekniffenen Augen, wie er die Besucher mustert. Er kennt sie alle genau, vielleicht besser, als sie sich selbst kennen. Kleine Kaufleute. Natürlich, man hätte ihnen einen Rat geben können, es hätte sich sogar gut gemacht, dem Ansehen wäre es von Vorteil gewesen, aber da ist dieser große schlanke Bursche mit den hellen lachenden Augen. Um dieses Mannes willen ist ein Entgegenkommen unmöglich. Und dabei ist er der einzige, von dem man fast nichts

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