Unter Korsaren verschollen
für eine Mutter, von dem Kind getrennt zu sein, nichts von ihm zu wissen«, wagt de Vermont, auf die Gefahr hin, seine Karten aufzudecken, einzuwerfen.
»Ich hörte, daß der Junge dem Bei von Titterie geschenkt worden sei.« Eine müde, wegwischende Handbewegung des Franzosen. Dein Geschwätz langweilt mich, Simeon, soll sie ausdrücken. Laut aber sagt er:
»Ich verschwende meine Zeit mit Nichtigkeiten. Inzwischen macht man mir das Tor zu. Es würde mir nicht angenehm sein, den Konsul für die Nacht bemühen zu müssen. Also ich zähle auf dich, daß du mir die Zeichnung beschaffst.«
»Wenn sie nicht vernichtet ist, werdet Ihr sie erhalten.
Ich ziehe Erkundigungen danach ein. Wo kann ich Euch finden, Herr de Vermont?«
»Frage auf dem Segler nach mir, Simeon. Aber bitte, denke immer daran, daß ich das Bild gern haben möchte, doch nur zu einem angemessenen Preis.«
Acht Tage später weiß Benelli um die Angelegenheit, obwohl Simeon nichts verraten hat.
Als der Händler endlich mit seinen vorsichtigen Um-fragen an den Mann gerät, dem die Zeichnung zwischen anderen Dingen unbeachtet gebracht worden war, muß er erfahren, daß vor wenigen Stunden ein Neger sie gekauft habe. Der Schwarze habe lange in den Beständen gewühlt, das und jenes haben wollen, dann aber noch etwas Reizvolleres gefunden, lange an dem Preis herum-genörgelt, schließlich nicht gekauft, weitergesucht.
Plötzlich sei er auf das wertlose Bildchen gestoßen. Oh, das sei eine schöne Frau, eine Frau, wie sie der Prophet als eine der Freuden des Himmels verspricht. Das Bild nehme er. Sogar ein lächelnder Knabe sei noch mit darauf. Was das koste. Jetzt erst habe sie der Trödler, der gar nichts von der Zeichnung gewußt habe, sich angesehen. Nicht schlecht. Der Schwarze habe noch immer die Augen vor Begeisterung verdreht, daß nur noch das Weiße zu sehen war. Soll er zahlen für den Spaß, den ihm das Papier macht. Zwei Zechinen. He? Der Neger habe getan, als hätte er sich verhört. Ja, zwei Zechinen.
Jammergeschrei, nicht halb so ernst gemeint wie laut vorgebracht. Schon sollte das Bild für den halben Preis weggegeben werden, da habe der Schwarze die Münzen auf den Boden geworfen, das Blatt gepackt und sich da-vongemacht.
Ein schönes Geschäft. Vor Freude reibt sich der Verkäufer die Hände. Zwei Zechinen geschenkt. Geschenkt, natürlich; denn er selbst hat nichts für das Papier bezahlt.
»Wer war der Neger?« fragt Simeon, den Redefluß des Glaubensgenossen unterbrechend.
»Ich kenne ihn nicht, erinnere mich nicht, ihm jemals in den Straßen Algiers begegnet zu sein. Ein Mensch wie hundert andere in Algier. Keine auffallenden Merkmale, weder im Gesicht noch in Haltung und Benehmen, nur eben kindlich erfreut über ein so schönes Bild.«
Zwei Zechinen; schade, zehn, zwanzig hätte es gebracht, wenn der dumme Neger nicht seine Nase in den Winkel gesteckt hätte. Aus der Freude des Händlers wird Ärger.
Simeon hält es nicht für nötig, ihm Näheres mitzuteilen.
In Gedanken versunken steigt er die Treppengasse zu seinem Haus empor. Die Arme hat er in die weiten Ärmel seines Kaftans gesteckt. Mechanisch nehmen seine Füße die weit auseinander liegenden Stufen.
Zufall, daß er zu spät kommt? Simeon glaubt nicht an einen Zufall. Die Umstände sind zu auffallend. Der Franzose will das Bild seiner Sammlung einverleiben.
Er, der Jude Simeon, soll es heranschaffen, fragt vorsichtig in allen Häusern danach. Die Sache mag, obwohl alles so harmlos und unbedeutend hingestellt worden ist, doch da und dort zur Sprache gekommen sein. Andere wittern ein gutes Geschäft dabei, schnappen die Beute in der letzten Minute weg. Der Koran ist gegen die Abbildung von Menschen. Wie alle Neger in Algier ist sicherlich auch der Käufer Moslem. Dann war sein Benehmen bei dem Kauf falsch. Herr de Vermont wird seine Sam-melleidenschaft teuer bezahlen müssen. Simeon kichert dabei in sich hinein. Daß der Franzose kaufen wird, sogar zu jedem Preis, ist gewiß. Simeon nimmt an, daß die Zeichnung einen beträchtlichen Wert darstellt. Zweifellos wird sie binnen kurzem wieder auftauchen, vielleicht bei Barci, dem reichsten Juden Algiers – und dann ein Vermögen kosten.
Die Überlegungen des Händlers Simeon sind klar und richtig. Er hat erkannt, daß es außer de Vermont noch andere Menschen gibt, die sich für die Beute der »Astra«
interessieren. Wie verwickelt die Angelegenheit aber ist, das freilich kann er nicht überschauen.
Erschüttert
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