Unter Korsaren verschollen
den sie ihrem Gegner in die Hand gespielt haben.
Er murmelt Unverständliches vor sich hin. Mit Absicht.
Aus den nichtssagenden »Hmhms« werden verständli-chere Worte. Und dann sagt er: »Ich werde Landsleute nicht im Stich lassen, selbst auf die Gefahr hin, zu verlieren. Bringen Sie die Papiere. Nur bitte ich mir aus, mich nicht wieder mit solchen Dingen zu belästigen. Ich bin mit anderen Sachen stark belastet. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Auf Wiedersehen, meine Herren!«
Die Kaufleute ergehen sich in lauten Danksagungen.
Nur Parvisis Mann hat keinen Blick für Gravelli. Er lä-
chelt, wie er es immer tut.
Ins Gesicht schlagen sollte man dem Burschen! Er hat eine Schlacht gewonnen. Nur kann er den Sieg nicht ausnützen. Morgen, heute noch, erfährt ganz Genua, daß das Haus Gravelli die »Parma« versichert. Damit ist allen Gerüchten das Wasser abgegraben.
Der Diener Camillo wartet schon auf den Herrn. Pietro hat geschrieben.
»Verflucht!« Das Schreiben fliegt auf den Tisch. Zu nichts zu gebrauchen der Junge. Keinen Mut, keinen Geist, kein Feuer in den Adern. Da läßt er so ein Riesen-geschäft aus den Händen gleiten. Ein todsicheres Geschäft.
Gravelli überfliegt den Brief erneut. Nichts als Klagen.
Überall eisige Ablehnung, schreibt Pietro. Nirgends will man mit dem großen italienischen Haus arbeiten. Auch die Tausende von Schmiergeldern, die auf den Rat des Vaters, wohlüberlegt zwar, aber großzügig, gegeben wurden, zeitigten keinen Erfolg. Der größte Fehlschlag in der Geschichte des Bankhauses Gravelli. Riesenge-winne sollte das Geschäft einbringen. Schulden, nichts als Schulden sind angelaufen. Und das alles gerade zu einem Zeitpunkt, da hier in Italien große Verbindlichkei-ten abgedeckt werden müssen. Das bis jetzt fehlgeschla-gene Wiener Geschäft zwingt zu einem Rückgriff auf die Reserven. Pietro, Pietro! Die Unfähigkeit des Sohnes einsehen zu müssen, ist bitter. Da liegen riesige Waren-mengen brach, verderben, fressen täglich ein Vermögen.
Ist es allein Pietros Schuld? Parvisi ist nicht mehr; die Firma lebt zwar noch, aber wie lange. Man hat sich in seine Geschäfte gemischt, mit Waren, anstatt wie bisher mit Geld, spekulieren wollen. Zu groß gleich. Es rächt sich jetzt.
Soll man die italienischen Geschäftsleute um einen Zahlungsaufschub bitten? Für ein paar Tage nur? Niemals! Gravellis Faust fällt schwer auf die Schreibtisch-platte, daß die Tinte umherspritzt. Es geht um den Ruf des Unternehmens. Grundbesitz abstoßen. Pietro muß mit allen Mitteln und höchstem Druck die Sache neu einleiten. Wien muß kaufen, muß von Gravelli kaufen.
Gelingt der Schlag, dann ist man nicht nur einer der ersten Bankiers, sondern auch unter den Großkaufleuten an der Spitze.
Die Feder fliegt über das Papier. Eiskalt, jeden Schritt abwägend, Schwierigkeiten voraus erkennend und sie zu beheben trachtend, entwirft er den neuen Plan, in dem Erpressungen nicht den letzten Platz einnehmen. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es nun nicht klappen würde.
Und jetzt zur Loggia, zur Börse.
Gravelli spricht lange mit Pietros Schwiegervater. Warum zögert der Freund? Weshalb diese abschätzenden Blicke? Aber es ist nichts. Die Liegenschaften wechseln den Besitzer. Das Haus Gravelli ist wieder flott.
Damit wäre für heute alles getan. Trotzdem bleibt er noch an seinem Stammplatz an der Säule stehen, in dessen Nähe sich kein anderer der an der Börse zugelasse-nen Kaufleute wagt.
Draußen rollt eine Kutsche an. Der Fahrgast mit dem weiten dunklen Mantel, den er malerisch um die Schultern geworfen hat, dehnt und streckt sich. Er scheint von weither zu kommen. Der kühn aufs linke Ohr gesetzte Schlapphut mit den breiten Rändern gibt dem Mann einen Zug ins Ungewöhnliche.
»Gravelli drinnen?« fragt der Fremde einen der umher-stehenden Makler, die hier vor der Börse hoffen, in die großen Geschäfte einbezogen zu werden.
»Ja, Herr. Wahrscheinlich an seinem Stammplatz an der Säule.«
Kein »Danke« für die Auskunft.
»Wer ist das?« tuscheln die Wartenden dem Unbekannten nach. Niemand kennt ihn.
Mit einem einzigen scharfen Blick umfaßt der Mann das Innere der Börsenhalle. Dort steht Gravelli. Auf einmal hat der vordem so eilige Fremde Zeit. Er sucht sich einen Platz gegenüber der Säule. Der Bankier muß ihn, wenn er den Kopf hebt, bemerken. Da schaut Gravelli herüber, zuckt zusammen. Bemerkt und erkannt also. Ganz langsam geht der Besucher auf ihn
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