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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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weiß.
    Doch das wenige Bekannte, eigentlich nur eine Tatsache, genügt, genügt mehr als tausend Einzelheiten.
    Der Mann ist der derzeitige Leiter des Hauses Parvisi.
    Seit der Chef, ohne Spuren hinterlassen zu haben, verschwunden ist, führt ein alter Mitarbeiter, der im Laufe langer Jahre zur rechten Hand Parvisis aufstieg, die Geschäfte. Man sieht da noch nicht ganz klar.
    Der Herr der Berge hat seine beiden Beutel Gold holen lassen, aber drüben in dem Handelshaus geht alles seinen Gang, als sei das Haupt des Unternehmens nur verreist.
    Gut hat der Alte Parvisi bisher vertreten. Warum soll man es leugnen? Noch ist der Firma nicht anzumerken, daß der Kopf fehlt. Als säße Andrea täglich an seinem Schreibtisch, als prüften seine unbestechlichen Augen die Waren, als schlösse er selbst Verträge und empfinge in seiner liebenswürdigen und verbindlichen Art die Geschäftsfreunde, so wickeln sich die Geschäfte drüben ab.
    Nun ist der Geschäftsführer seit Tagen krank, und dieser junge Mann vertritt ihn. Und kommt gleich bittend zu Gravelli. Wenn das Andrea wüßte. Parvisi bittet Gravelli. Welch ein Triumph! Ihn, den Feind, braucht man. In der alten Firma bröckelt und knistert es. Wenn es auch erst einmal nur ein Stein sein wird, der aus dem stolzen Bau herausbricht, andere werden nachstürzen, endlich alles zu Boden reißen. Daß der nicht mehr festsitzende erste sich gänzlich löst, dazu kann – Agostino Gravelli wesentlich beitragen.
    »Das von Ihnen vorgeschlagene Geschäft hat keinen Reiz für mich«, bescheidet er die Besucher.
    »Wir sind verloren, wenn mit dem Schiri etwas geschieht«, jammert einer der Männer.
    »Nicht jeder Segler bleibt auf See.«
    »Nicht jeder, aber jeder zweite fällt in die Hand der Korsaren.«
    »Warum warten Sie nicht eine günstigere Jahreszeit ab?
    Erfahrungsgemäß gehen die Piraten im Winter nicht auf Jagd.«
    »Wir sind vertraglich gebunden, die Waren unverzüglich abzuschicken.«

»Schlechte Kaufleute!« Die Besucher nehmen keine Notiz von dem Tadel Gravellis. Was weiß dieser Große von den Nöten der Kleinen, was von dem erbitterten Kampf, den sie gegen die paar immer mächtiger Werdenden zu bestehen haben! Gravelli weiß es, aber er zieht nicht die Hand zurück, die die Schlinge führt. Nur der Rücksichtslose kann sich halten. Es geht um Geld.
    Alle Bedenken hören beim Geld auf.
    »Ich versichere nicht!« schließt er hart ab.
    »Ist die ,Parma’ ein Totenschiff, Signore Gravelli?«
    Der junge Vertreter Parvisis, der bisher stumm dage-standen hat, fragt es. Lächelnd, harmlos.
    »Was wollen Sie damit sagen, Herr?« Der Bankier schnappt nach Luft, bekommt einen gemachten Husten-reiz, der die Überrumplung verdecken soll.
    »Nichts. Ich nehme nur Ihre Ablehnung nicht für endgültig.«
    Sechs Augenpaare bohren sich in Gravelli. Da ist die unbarmherzige Hand wieder, die ihn wie Eisenklammern umspannt. Wie damals am Hafen. Das Wort »Totenschiff« hat die Lage zuungunsten des Finanzmanns ver-
    ändert.
    Ein Anschlag also. Von langer Hand vorbereitet. Es muß etwas geschehen. Jetzt erst einmal Zeit gewinnen.
    »Ich werde mir Ihre Bitte überlegen, meine Herren«, weicht er aus. Verfluchtes Lächeln, das dem Burschen Parvisis im Gesicht steht. »Sie wissen, daß ich nie Ver-sicherungen übernehme. Warum wenden Sie sich nicht an einen der anderen Bankiers?«
    »Sie sind der bedeutendste. Man kennt und schätzt Ihren besonderen Weitblick in Geschäften, der den anderen Herren abgeht. Wenn Sie uns helfen, sind wir sicher, keine Verluste zu erleiden. Bitte, tun Sie es.« Die anderen unterstreichen durch Nicken die Vorstellungen ihres Wortführers.
    Wieder mustert Gravelli die Männer. Unauffällig, wie er glaubt. Parvisis Vertreter hat sich in eine dunkle Ecke gedrückt, so daß man nicht erkennen kann, was in seinen Mienen vorgeht.
    Die vorgebrachten Gründe sind mehr als fadenscheinig.
    Theater, nichts als Theater. Daß sie ihm so zu kommen wagen! Er soll die Gefahr übernehmen, Verluste erleiden. Sie wissen ganz genau, daß das Schiff verloren ist. Alles ist abgekartetes Spiel und von dem grünen Burschen in der Ecke eingefädelt.
    Plötzlich verfliegt Gravellis Wut. Schön, ausgezeichnet.
    Er wird die Trümpfe überbieten, mit einem Schlag beweisen, daß die Vermutung, der große Gravelli stehe mit den Korsaren im Bunde, ein Hirngespinst, eine maßlose Verleumdung, nichts als der Haß Parvisis ist. Umarmen müßte man die Männer, jeden einzelnen, für den Trumpf,

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