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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Nackenhaare auf. Er war froh, dass er im Boot saß.
    „Sam“, sagte George ruhig. „Was machst du da? Warum fauchst du Bill an? Du hast früher nicht gefaucht. Seit wann tust du das?“
    „Was ist gefaucht?“, zischte Sam und zog geräuschvoll Luft durch seine Zähne.
    „So nennt man das, was du eben gemacht hast. Das Geräusch nennen wir fauchen. Warum machst du das?“
    „Weil Bill Sachen über mich sagt“, antwortete Sam. „Er soll damit aufhören.“
    „Fauchst du, wenn du wütend bist?“, fragte George und versuchte, sich im Kopf alles mitzunotieren.
    „Auchchchch!“, fauchte Sam. Dann ließ er den Bootsrand los und verschwand.
    „Ich glaube, jetzt braucht er ein paar Minuten“, sagte George. „Er mag es nicht, wenn er sich bei unmenschlichem Verhalten ertappt. Er schämt sich dann.“
    „Mir kommen die Tränen“, sagte Bill. „Meine Meinung willst du wahrscheinlich nicht hören, weil du dein Tigerjunges unbedingt behalten willst, aber wach endlich auf, George. Wir haben von seiner Spezies keinen Plan. Setz ihn aus, solange du ihn noch loswerden kannst. Gewöhne ihn wieder an das Leben in Freiheit.“
    „Eben hattest du noch Bedenken, ihn unbeaufsichtigt ins Meer zu lassen, weil er dort Menschen angreifen könnte.“
    „Ja, aber lieber so, als dass er eines Tages Laine etwas antut. Oder dir.“
    „Er wird ihr nichts tun. Er liebt sie noch. Da bin ich sicher.“
    „Wie schön“, sagte Bill verärgert.
    „Tut mit leid, Bill“, sagte George und legte dem Jüngeren die Hand auf die Schulter. „Ich bin für deine Loyalität und deine Unterstützung dankbar. Ich weiß, dass du es auch nicht leicht hast mit deinem Vater und all dem und trotzdem hilfst du uns zuverlässig und regelmäßig, wenn es um Sam geht. Danke.“
    Bill seufzte. „Mir tut es auch leid. Ich will euch nur warnen. Ich habe Sam anders kennengelernt. Du weißt einfach nicht, was später aus ihm wird. Welpen sind auch süß, aber da können richtige Löwen draus werden.“
    „Ich weiß. Wollen wirs trotzdem versuchen?“
    Bill sah auf. „Ich bin dabei.“
    Sie warteten noch einige Minuten, dann schoben sich ein paar Meter entfernt nasse, blonde Locken aus dem Wasser.
    „Komm wieder zu uns. Es ist alles okay!“, rief George ihm zu. Sam glitt auf das Boot zu und zog sich daran hoch. Er hielt den Blick gesenkt. „Gut, Sam. Hör mir zu. Du musst dich nicht schämen für deine Gefühle. Wenn diese Wildheit in dir aufsteigt, dann ist das in deiner Welt wahrscheinlich richtig, aber für Menschen kann es sehr gefährlich sein. Es geht nicht darum, dass du Fehler machst, sondern dass einfach niemandem was passiert, wenn du dich deiner Natur entsprechend verhältst. Du willst Zeit mit uns verbringen und wir mit dir. Und dafür finden wir jetzt an Land und im Wasser eine Lösung. Willst du das?“
    Sam nickte.
    „Gut“, sagte George. „Warum bist du heute so aggressiv? Kannst du das sagen? Als wir zuletzt zusammen geschwommen sind, war es nicht ganz so heftig.“
    „Ich weiß nicht. Beim letzten Mal war Bill nicht dabei und ich konnte dir zeigen, wie ich schwimme und mit dir zusammen tauchen.“
    Bill verdrehte die Augen, schwieg aber.
    „Ich komme zu dir ins Wasser.“ George machte Anstalten, die Leine von der Puppe zu lösen.
    Sam sah ihn erstaunt an. Er sirrte verwirrt.
    „Bist du verrückt? Du bleibst hier. Das mache ich nicht mit.“ Bill wollte George die Leine aus der Hand nehmen, aber der machte eine abwehrende Geste.
    „Mach keinen Mist! Nur weil du willst, dass Sam sich gut fühlt, kannst du nicht so ein Risiko eingehen. Jetzt bleib hier!“ Bill hielt George am Arm fest, der ihn weiter ignorierte und sich das Seil um das Handgelenk band. Dann gab er Bill das Ende der Leine.
    „Du kannst mir helfen, oder es lassen. Wir haben gerade darüber gesprochen.“ Ein paar Sekunden starrte Bill ihn mit zusammengepressten Lippen an, dann griff er wortlos nach dem dünnen Seil.
    George sah Sam in die Augen.
    „Bereit?“
    Sam nickte zögernd. Er sirrte und fauchte leise.
    „Nicht fauchen, sprechen. Was gibt es heute zum Abendessen?“
    George schwang ein Bein über den Bootsrand.
    „Salat mit Tomaten“, antwortete Sam.
    „Das ist richtig. Wer wird denn heute abspülen? War Laine nicht dran?“ Er ließ sich ins Wasser gleiten. Bill hielt die Leine. Sam wurde unruhig und wich sirrend ein paar Meter zurück.
    „Ich darf heute spülen“, sagte er fauchend.
    „Aufhören!“, sagte George streng. „Wenn du fauchst,

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