Unter rauschenden Palmen
Mut zusammen. "Irgendwie hatte ich angenommen, dass du dir eine andere Geliebte suchen wolltest. Eine, die sich nur nach dir richtet und bereit ist, auf alle deine Wünsche einzugehen - und die dich jederzeit auf deinen Reisen begleiten kann."
Er lächelte grimmig. "Könntest du dir vorstellen, eine solche Geliebte zu sein?"
"Nein."
"Damit steht fest, dass unsere Beziehung aus verschiedenen Gründen so bleibt, wie sie ist -
selbst wenn wir ab und zu mit der Situation unzufrieden sind. Aber du hast dich nicht getäuscht, ich hätte dich wirklich gern nach Amerika mitgenommen und war ärgerlich, dass du ständig arbeitest und immer nur an deinen Beruf denkst."
"So?" fragte sie leise.
Er lächelte selbstironisch. "Ich habe es jedoch nicht gewagt, das offen zuzugeben. Ich hatte Angst, dass du meine Einstellung als chauvinistisch bezeichnen und mich dafür verachten würdest."
Vor einer Woche noch hätte das auch gestimmt. Dass sich inzwischen alles geändert hatte, konnte sie ihm nicht sagen.
"Darum", fuhr er fort, als sie immer noch schwieg, "schlage ich vor, dass wir den Zustand so belassen, wie er ist, Clarissa."
"Das ... das meine ich auch." Sie wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen, weil all diese Verdrehungen und Halbwahrheiten das bestätigten, was sie schon immer befürchtet hatte: Jerome wollte sie nicht heiraten. Aber ihr langes Training, ihre Gefühle zu unterdrücken und sich zu disziplinieren, gab ihr die Kraft, sich nichts davon anmerken zu lassen und freundlich zu lächeln.
Jerome musterte sie prüfend von der Seite, bevor er in die Auffahrt von Rosemont einbog.
Kaum war das geschehen, musste er schon wieder eine Vollbremsung machen: Ein kleiner Indianer in voller Kriegsbemalung tanzte mitten auf dem Weg, Bogen und Tomahawk hoch erhoben.
Jerome öffnete seine Tür. "Sean! Das ist jetzt das zweite Mal heute, dass ich gerade noch so einen Unfall verhindern konnte!"
Beruhigend legte Clarissa ihm die Hand auf den Arm, musste dann aber unwillkürlich laut lachen. Paddy und Flynn kamen zum Auto gerannt - mit buntem Federschmuck, der an den Ohren befestigt war.
3. KAPITEL
"Clarissa, Clarissa!" Aufgeregt kletterte Sean ins Auto und setzte sich auf die Rückbank. "Rat mal, was ich bin!"
Jerome stieg aus, öffnete die Hecktür, und Paddy und Flynn sprangen in den Kofferraum.
"Ein Indianer?" fragte Clarissa.
"Natürlich!" Sean schnaufte verächtlich. "Aber was für einer?"
"Ein Sioux? Cheyenne? Apache?" Jedes Mal schüttelte Sean den Kopf. "Dann muss ich passen."
"Ich bin ein Nez Perce", klärte Sean sie voller Stolz auf.
Clarissa und Jerome blickten sich wortlos an. Dann startete Jerome den Motor und fuhr wieder weiter.
"Von diesem Stamm habe ich noch nie etwas gehört", gestand Clarissa.
"Sie waren die Größten!" klärte Sean sie voller Begeisterung auf. "Sei waren die besten Jäger, Reiter und Krieger, bis ihnen die Regierung 1877 ihr Land wegnahm. Nez Perce bedeutet gepiercte Nase."
"Ich freue mich, dass deine noch unversehrt ist, Sean."
"Ich wollte sie mir ja piercen, aber Tante May meinte, ich würde dann wahrscheinlich an Blutvergiftung sterben, worüber sie sich nur freuen würde."
"Sean", warnte Jerome seinen Sohn, "ich hoffe, du hast Tante May nicht das Leben schwer gemacht."
"Ich? Die Sachen habe ich übrigens von Serena", wechselte er dann geschickt das Thema.
"Sie ist bestimmt keine Supermutter, aber sie weiß, wie man mir eine Freude machen kann."
Jerome und Clarissa sahen sich an. Die Beredsamkeit und der Scharfblick dieses Achtjährigen waren erstaunlich. Schon lange bestand er darauf, seine Mutter beim Vornamen zu nennen, und behandelte sie nicht wie eine Autoritätsperson, sondern eher wie eine etwas lästige ältere Schwester.
May Hewitt erwartete sie auf der Veranda. Rosemont war ein eindrucksvolles Haus und stammte ungefähr aus der Zeit, als im fernen Amerika die Nez Perce aus ihrem angestammten Gebiet vertrieben worden waren. Wie für den Wohnsitz einer alten, reichen Siedlerfamilie charakteristisch, stand es auf einer kleinen Anhöhe, von der aus man die gesamte Plantage mit ihren Macadamia-und Avocadobäumen überblicken konnte. Das imposante, weiß verputzte Gebäude besaß ein steiles Dach mit unzähligen Kaminen und war von einer Veranda umgeben, von der aus man über einen dichten, gepflegten Easen jenen Rosengarten erreichte, nach dem das Haus benannt war.
May war Jeromes Tante, die Schwester seines Vaters, und unverheiratet. Sie war Direktorin eines
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