Unter rauschenden Palmen
Spuren seiner Kriegsbemalung im Gesicht.
"Clarissa hat dich und Tante May eingeladen, ein paar Tage in Lennox Head zu verbringen, während ich auf Geschäftsreise bin", erklärte ihm Jerome.
"Wow!" Sean klatschte in die Hände. "Ich kann angeln, surfen und die Drachenflieger beobachten, mich sogar mit ihnen unterhalten. Was wird nur Serena dazu sagen?"
"Es tut mir Leid, ich hätte es nicht tun sollen."
Clarissa und Jerome gingen im Schatten der Macadamiabäume spazieren. May hatte sich nach dem Essen zur Siesta zurückgezogen, und Sean wollte seinen Kriegstanz perfektionieren.
"Was hättest du nicht tun sollen?" fragte Jerome. "Komm, wir setzen uns ein bisschen."
Sie hatten einen leise plätschernden Fluss erreicht, an dessen Ufer große flache Felsen zum Ausruhen einluden. Clarissa ließ sich auf einem davon nieder und fächelte sich mit dem Sonnenhut, den ihr May aufgedrängt hatte, frische Luft zu. Sie drehte sich um und blickte auf die langen und wie mit dem Lineal gezogenen Baumreihen, die sich über den ganzen Abhang zogen. Für australische Verhältnisse besaß Rosemont ausgesprochen große Ländereien. Man konnte sich vorstellen, dass die Hewitts stolz auf diesen Besitz und hier tief verwurzelt waren.
Obwohl Jerome ein studierter, kulturell sehr interessierter Mensch und cleverer Geschäftsmann war, brauchte man mit ihm nur durch seine Macadamia-und Avocadoplantagen zu gehen, um sehr schnell zu erkennen, dass er im Grunde seines Herzens Farmer war, wie seine Vorfahren es auch gewesen waren.
Ich dagegen, dachte Clarissa plötzlich, finde diese in Reih und Glied gepflanzten Bäume beängstigend und habe nicht die geringste Ahnung von der Arbeit auf einer Farm.
"Was hättest du nicht tun sollen, Clarissa?" fragte Jerome zum zweiten Mal.
Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. "Ich hätte May und Sean nicht einladen sollen."
"Warum nicht? Es sei denn, du bereust deine Voreiligkeit - was ich durchaus verstehen könnte." Er lächelte.
"Nein, so ist es nicht. Ich mag die beiden sehr gern."
"So?" Gedankenverloren kaute er auf einem Grashalm, den er ausgerissen und sich zwischen die Lippen gesteckt hatte. Das helle Sonnenlicht ließ die feinen Haare auf seinen Unterarmen rötlich schimmern. Sein blau-weiß kariertes Baumwollhemd, das in Lennox Head noch völlig faltenlos gewesen war, war zerknittert.
Clarissa blickte an sich herunter und stellte fest, dass auch ihre Seidenbluse nicht mehr makellos frisch wirkte. Glücklicherweise war sie heute sportlich gekleidet ins Büro gegangen und trug einen Leinenrock und braune Ledersandaletten mit flachem Absatz. Es schien ihr plötzlich Ewigkeiten her zu sein, seit sie ihre Kanzlei verlassen hatte.
Sie seufzte und setzte sich wieder den Sonnenhut auf. "Mir ist nicht entgangen, Jerome, dass mein Angebot May und dich irritiert hat. Ich hatte das Gefühl, mich auf verbotenes Gebiet vorgewagt zu haben. Als Sean dann Serena erwähnte, wusste ich auch, warum."
"Du glaubst also, Serena hätte etwas dagegen?"
"Ich weiß es nicht." Sie schwieg betreten. "Ich weiß ja noch nicht einmal", fuhr sie schließlich fort, "ob Serena überhaupt etwas von meiner Existenz ahnt. May weiß doch schon von uns, oder?"
"Das wird sie sich an den Fingern abzählen können. Gefragt hat sie mich jedoch nicht, wenn du das meinst. Sie steckt ihre Nase nicht in die Angelegenheiten anderer."
"Doch - wenn es um Sean geht."
Jerome zuckte mit den Schultern. "Damit hast du Recht. May würde für Sean bis ans Ende der Welt gehen, obwohl sie immer so tut, als würde er ihr den letzten Nerv rauben. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich May nicht gehabt hätte, als Serena und ich uns immer mehr auseinander lebten. Ich finde jedenfalls nichts dabei, wenn Sean und May dich für ein paar Tage besuchen. "
Aber nur, weil du nicht da bist, schoss es Clarissa durch den Kopf, und Sean nicht dahinter kommen kann, dass ich deine Geliebte bin.
"Du musst allerdings damit rechnen, dass es für dich ziemlich unruhige Tage werden", fügte Jerome nach einer Weile hinzu.
"Wir werden die Entscheidung May überlassen." Damit beendete Clarissa das Thema. Doch sie war nicht so gelassen, wie sie sich gab, denn sie hatte bei ihrer spontanen Einladung ein Problem übersehen: ihre morgendliche oder nächtliche Übelkeit. Sie würde diese wohl kaum vor May verbergen können, wenn sie mit ihr auf so engem Raum zusammenlebte.
Wie lange konnte sie ihren Zustand überhaupt noch verheimlichen? Vor ihren
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