Unter rauschenden Palmen
wäre es gestern gewesen, durchlebte sie die Gefühle von damals noch einmal...
"Mrs. Montrose, hier ist Mr. Hewitt." Lucy öffnete die Tür und ließ einen großen, schlanken Mann ein.
"Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Mr. Hewitt." Clarissa stand auf und ging ihm entgegen.
"Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite, Mrs. Montrose", antwortete Jerorne Hewitt höflich, wobei er das "Mrs." leicht betonte und ihre ausgestreckte Hand ergriff. Aus leicht zusammengekniffenen Augen musterte er sie eingehend von Kopf bis Fuß.
Clarissa musste schlucken. Sie war sehr groß und es nicht gewöhnt, dass andere sie überragten, aber Jerome Hewitt war mehr als einen Kopf größer als sie. Er hatte graue Augen, ein interessantes, sonnengebräuntes Gesicht und dichtes rötlich braunes Haar, das ihm immer wieder in die Stirn fiel. Seine Figur war gut proportioniert, und man sah sofort, dass er regelmäßig Sport trieb. Zu Clarissas Erstaunen war Jerome Hewitt äußerst lässig gekleidet. Er trug ein kariertes Hemd, Chinos und Freizeitschuhe.
Noch mehr aber überraschte sie sein Alter, denn er konnte höchstens Ende dreißig sein.
Während sie einander ansahen, herrschte ein derart gespanntes Schweigen, dass Lucy wie angewurzelt auf der Sehwelle stehen blieb.
Clarissa ärgerte sich darüber. Sie ließ sich nicht anstarren, auch nicht vom Familienchef der Hewitts! Schnell entzog sie ihm ihre Hand. "Setzen Sie sich doch bitte, Mr. Hewitt", bat sie höflich. "Dürfen wir Ihnen eine Erfrischung anbieten? Kaffee oder Tee?" Sie lächelte verbindlich und setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch.
"Ich hätte gern etwas Kaltes", antwortete er.
"Aber natürlich! Und ich möchte gern einen Kaffee, Lucy."
Nachdem die Sekretärin die Tür hinter sich geschlossen hatte, faltete Clarissa die Hände auf der Tischplatte. "Ich nehme an, Sie wollen sich mit mir über die Parzellierung unterhalten, Mr. Hewitt?" fragte sie geschäftsmäßig.
"Nein."
Clarissa sah ihn an, aber er schwieg und betrachtete sie immer noch äußerst interessiert, was sie zunehmend irritierte. Aber sie war in Verhandlungen zu erfahren, um ihn zu einer Aussage zu drängen. So wartete sie und blickte ihn nur erwartungsvoll an.
"Nein", wiederholte er und lächelte flüchtig. "Nach allem, was ich gehört habe, sind Sie eine sehr fähige Rechtsanwältin, Mrs. Montrose - genau wie es mir Ihr Vater versicherte."
Bei der Erwähnung ihres Vaters wurde es Clarissa noch unbehaglicher zu Mute, was sie sich jedoch nicht anmerken ließ. Sie neigte den Kopf und lächelte verbindlich.
Wieder wurde die Tür geöffnet, und Lucy erschien mit einem Tablett. Sie stellte ein Glas Mineralwasser, in dem Eiswürfel und eine Zitronenscheibe schwammen, vor Jerome Hewitt und eine Tasse Kaffee vor Clarissa. Umständlich suchte Lucy dann nach einem Platz für die Schüssel mit Keksen, und Clarissa wusste genau, dass ihre Sekretärin vor Neugier fast platzte.
Aber dann gab es für Lucy wirklich nichts mehr zu tun, und sie musste notgedrungen den Raum verlassen.
Clarissa rührte gedankenverloren ihren Kaffee um und kam dann zu dem Schluss, dass Offenheit in diesem Fall wohl die beste Taktik sei. "Sie haben für beträchtlichen Aufruhr gesorgt, Mr. Hewitt, bei meinen Mitarbeitern und auch bei mir."
"Das tut mir Leid, Mrs. Montrose."
"Das ,Mrs.' ist Lucys Idee, Mr. Hewitt." Clarissa war ärgerlich, dass er die Anrede wieder so seltsam betont hatte. "Sie meint, es klinge seriöser. Ich bin jedoch Single und nenne mich am liebsten ganz schlicht Clarissa Montrose."
"Ich verstehe." Er nickte. "Um ehrlich zu sein, würde ich Sie auch lieber Clarissa nennen, das passt viel besser zu Ihnen. Ich heiße übrigens Jerome und bin kein Single - jedenfalls noch nicht. Und das ist genau der Grund, weshalb ich hier bin. Haben Sie schon einmal einen Scheidungsvertrag ausgearbeitet, Clarissa?"
"Schon etliche. Aber ..." Sie blickte ihn erstaunt an.
"Sie sind offensichtlich überrascht. Warum? Weil ich mich scheiden lassen will oder weil ich mich deshalb an Sie wende?"
"Wenn ich ehrlich bin, sowohl als auch."
"Kennen Sie meine Frau, Clarissa?"
"Ich habe sie noch nie getroffen. Natürlich habe ich schon von ihr gehört und Bilder von ihr in der Zeitung gesehen."
Schon auf den unscharfen Schwarzweißaufnahmen der Lokalpresse hatte Clarissa erkannt, dass Serena Hewitt eine ungewöhnlich gut aussehende Frau sein musste. Doch als sie Serena vor einiger Zeit zufällig von weitem beim Einkaufen gesehen
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