Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Dorf zu. Ich zoome hin. Wenn mich nicht alles täuscht, ist auf der Motorhaube eine Sonne, die der von „PRO!“ ausgesprochen ähnlich sieht. Wer drinnen sitzt, kann ich nicht ausmachen. Ich werde mich erkundigen, ob „PRO!“ so ein Auto hat und wer gestern damit gefahren ist.
Das nächste Foto ist besonders gelungen: Die Rotorblätter eines Windrads und dahinter eine gut sichtbare Flamme. Ich mache mir eine Notiz, dieses Bild kommt sicher in die kommende Ausgabe. Unwahrscheinlich, dass sonst noch jemand diese Szene vom Kran aus aufgenommen hat.
Auf dem Weg im Förderkorb nach unten hat Regina dann auch noch die Windkraftgegner fotografiert. Die paar Menschen wirken eher verloren und so, als täte es ihnen leid, nicht mitfeiern zu können, sondern protestieren zu müssen. – Darüber wurde gestern Abend auch noch gesprochen! Dass der Anführer, alias Don Quichotte, Frühpensionist sei und bei der „AE“ gearbeitet habe. Und dass seine Gruppe erstaunlich viel Geld habe. Zumindest in den Augen eines der illuminierten übrig gebliebenen Festgäste. Kann es sein, dass die „AE“ mit dem neuen Energiekonzept nicht einverstanden ist? Immerhin kauft ihnen Sonnendorf keinen Strom und kein Gas mehr ab. Ob das allerdings in der Bilanzsumme des Energieunternehmens auch nur spürbar ist, bezweifle ich. Vielleicht geht es ihnen ums Prinzip. Mira, „ums Prinzip“ geht es börsennotierten Unternehmen selten.
Ich rufe Vesna an. Wenn sie zufällig Zeit habe, könne sie dann versuchen herauszufinden, ob die Windkraftgegner in Sonnendorf wirklich über Geld verfügen? Und woher sie es bekommen? Das werde kein Problem sein, erwidert meine Freundin. „Werde ich Tochter Jana sagen. Die muss bei mir sowieso Stunden für letzten Urlaub abarbeiten. Und sie nervt schon ganze Zeit mit Energiegeschichte. Du musst viel böser gegen Atomkraft und Energiekonzerne sein, sagt sie. Wir können heute Abend darüber reden. Wo du willst lieber joggen? In Prater oder bei Donaukanal?“
„Ist es dir nicht zu langweilig, mit mir zu laufen? Ich bin doch um so viel langsamer als du.“
„Deswegen ich will, dass du schneller wirst.“
Gegen Vesna ist man manchmal einfach machtlos.
Ich verabrede mich mit Generalleutnant Unterberger um vier, wieder im Café Prückel. Ich überlege ein wenig zu lange, ob mein Jeanshemd für dieses Treffen passend ist. Und ob es nicht doch ein wenig aufträgt. Was soll das? Ich brauche Informationen von ihm, das ist alles. Wir kommen gleichzeitig hin. Er ist heute in Uniform. Es ist also definitiv ein dienstlicher Termin, sage ich mir, als wir aufeinander zugehen. Was sonst hätte es sein sollen? Ich bin mehr für Individualismus als für Uniformität. Aber ich muss zugeben, an Unterberger sieht die schlichte graue Montur zumindest nicht peinlich aus.
„Sie sollten mich erst einmal in der weißen Galajacke sehen.“ Offenbar habe ich zu lange auf seine Uniform gestarrt. Drei Sterne an den Schulterspangen. „Oder kann es etwa sein, dass Sie Uniformen nicht besonders mögen? Ich wollte mich noch umziehen, aber ich bin nicht mehr dazu gekommen.“
„Sieht irgendwie ganz praktisch aus“, murmle ich, während wir an einem Ecktischchen Platz nehmen. Unterberger hat reserviert.
„Ist sie, außerdem muss man sie nicht selbst bügeln.“
„Das macht wohl Ihre Frau.“
„Oh, so klassische Rollenvorstellungen hätte ich von Ihnen gar nicht erwartet.“ Da ist er wieder, sein freundlich-spöttischer Blick.
„Na, bei einem vom Bundesheer …“, kontere ich.
„Ich habe keine Frau. Aktuell, jedenfalls.“ Er sieht mir ein wenig zu lange in die Augen.
„Ich kann mich auch nicht für jeden Interviewtermin umziehen“, antworte ich darauf und beginne in meiner Tasche nach dem Aufnahmegerät zu kramen.
„Ja“, sagt er deutlich trockener. „Deswegen sind wir hier. – Wollen wir zuerst ein wenig über das reden, was ich nicht offiziell sagen kann, und dann das Interview machen, oder soll es gleich losgehen?“
„So viel Zeit hab ich auf alle Fälle“, sage ich und lächle ihn an. Nur als Wiedergutmachung für meine abrupte Rückkehr zum Geschäftlichen.
Ich bestelle wie beim letzten Mal Campari Soda, Unterberger schließt sich mir diesmal an.
„Gibt’s etwas Neues?“, will ich wissen.
„Wir haben uns angesehen, was da gestern passiert ist. Das Feuer war leider so stark, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis man weiß, ob Sprengstoffreste identifiziert werden können. Die Verformung des
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