Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Sonnen auf der Homepage von ‚Pure Energy‘ herausbekommen. Und jetzt glaubt sie, dass ich es war, der sich in die Seiten gehackt hat. Totaler Schwachsinn. Ich hab ja erst von dir davon erfahren. Momentan hängt der Haussegen etwas schief. Vielleicht kannst du sie anrufen …“
Ich grinse und verspreche es.
Zuerst aber parke ich mein Auto auf dem Gelände von „PRO!“. Novak sei leider in einer wichtigen Besprechung, teilt mir eine Mitarbeiterin mit. Sie trägt keines der Sonnen-Shirts, sondern eine rote Bluse. Ich hätte anrufen sollen.
„Er ist in einem Chat?“, frage ich. Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch hier. Da war Tina Bogner in so einer virtuellen Gesprächsrunde. Mit neuen Medien kennt man sich hier jedenfalls sehr gut aus.
Die Mitarbeiterin sieht mich freundlich an. „Nein, in einer Besprechung. Mit den Gesellschaftern. Ich weiß nicht, wie lang es dauert. – Kann ich Ihnen Kaffee machen? Oder wollen Sie unser Biomasseheizwerk besichtigen, bis Diplomingenieur Novak frei ist?“
„Können Sie ihm sagen, dass ich da bin und dass ich ihn dringend sprechen muss?“
„Natürlich.“ Sie fängt ein Mobiltelefon aus ihrer Hosentasche und schreibt mit unglaublicher Fingerfertigkeit eine SMS. Dabei ist sie kaum jünger als ich. Sie sieht meinen Blick. „Hab ich von meinen Kindern gelernt. Es wollte mir einfach nicht einleuchten, dass ich das nicht kann. Ich bin ausgebildete Europasekretärin. Man muss eben üben, wie beim Maschineschreiben.“
Ein Telefonton. Sie tippt auf das Display, liest. „Es wird eine halbe Stunde dauern.“
Okay, dann sehe ich mir eben tatsächlich das Biomasseheizwerk an. Toni, „der Mann für alles“, wie mir die Sekretärin in der roten Bluse sagt, begleitet mich. Toni ist maximal dreißig, dünn, hat ein paar Hackschnitzel in den Haaren und ist offenkundig sehr stolz auf sein Kraftwerk.
„Ich transportiere das Material zu den Öfen“, erklärt er. „Es kommt vom Lager dort drüben“, er deutet auf die holzduftenden Berge unter dem geschwungenen Dach. „Dann nehme ich es auf meine Baggerschaufel und schütte die Hackschnitzel auf die Förderanlage. Von dort werden sie automatisch in die Öfen transportiert. Momentan läuft nur einer, es ist noch warm, da brauchen die Leute keine Heizung, sondern nur heißes Wasser. Wollen Sie die Öfen sehen?“
Ich nicke.
Wir gehen um das Gebäude herum, er öffnet ein großes grünes Tor. Angenehm warm ist es hier drinnen. Eine Menge silbrig glänzender Leitungen führen die Wand entlang. Beherrscht wird die Halle von den zwei riesigen Öfen, sie sind sicher drei Meter hoch und ebenso tief. Beim einen steht die dick ausgekleidete Tür ins Innere offen. Vom anderen kommt ein regelmäßiges Brummen und Bullern, ein Geräusch, das es nur gibt, wenn Holz verbrennt. Und hier verbrennt eben sehr viel kleines Holz.
„Sie werden automatisch gesteuert. Es muss bloß jemand überwachen, ob alles in Ordnung ist. Aber wer die Öfen kennt, hört am Geräusch, ob alles passt. Da brauchst du keinen Computer dafür.“
„Wir haben natürlich die besten Abgasfilter eingebaut, die es gibt“, sagt eine Stimme hinter uns.
Ich drehe mich um. Novak. Offenbar hat er sich früher aus der Besprechung lösen können. „Wenn ich hier drin bin, weiß ich wieder, wofür ich arbeite“, sagt er. „Oder wenn ich bei den Windrädern draußen bin. Die Verwaltungsarbeit ist nicht gerade das, was ich mag. Ich bin Techniker.“
„Ein super Techniker“, ergänzt Toni.
„Hast du Frau Valensky schon den Steuerungsraum gezeigt?“
Toni und ich schütteln den Kopf.
„Ich sollte Material nachfüllen“, sagt Toni und verabschiedet sich.
Ich gehe mit Novak durch eine kleine Tür in einen wenig eindrucksvollen Büroraum. Nur die eine Wand, die ist voller Leitungen und Schaltungen oder was ich eben dafür halte. Auch einige kleine Monitore sind eingebaut.
„Gesteuert wird alles über unsere Computer“, sagt Novak und deutet auf zwei Bildschirme. „Über einen Zugangscode kann ich auch bei mir zu Hause einsteigen und sehen, was im Heizwerk los ist.“
Auf einem dritten Bildschirm sind Bilder von Überwachungskameras. „Sie kontrollieren das Gelände?“, frage ich.
„Durch die Kameras sehen wir selbst von daheim, wenn zu wenig Hackschnitzel in der Förderanlage sind. Die Anlage hat mehr damit zu tun, dass unter uns einige Computerfreaks sind. Bei dem, was in letzter Zeit alles geschehen ist, bin ich aber ganz froh, dass wir dadurch auch
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