Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
…“
„Ist keine Demokratie, in Seite hacken, selbst wenn es Seite von Verbrecher ist“, argumentiert Vesna. Womit sie ja recht hat. „Und Jana, er schleppt auch noch Schwester mit.“
„Sie war bisher die viel Politischere von den beiden“, gebe ich zu bedenken. „Kannst du dich noch an ihre Mädchenbande erinnern und wie sie Machos aus Zuwandererländern bekämpfen wollten?“
Vesna grinst. „Hat sich irgendwie aufgelöst. Manchmal ich denke inzwischen: leider.“
„Hast du mit den Zwillingen schon in Ruhe gesprochen?“
„Wann denn?“, erwidert Vesna. „Ist ja alles gerade erst losgegangen.“
„Ich habe eine Idee: Ich koche und wir laden Jana und Fran ein. Vielleicht ist das gut fürs Familienklima. Und ich kann Fran noch das eine oder andere fragen.“
„Ist es nicht schon spät?“
„Ich laufe nur schnell zum Gemüsehändler zwei Gassen weiter, er hat noch offen. Du wartest und hilfst mir dann. Ich rufe Oskar an und du deine Zwillinge.“ Eine ausgezeichnete Idee. Was, wenn nicht ein gemeinsames Essen, kann Beziehungen wieder ins Lot bringen?
Oskar ist von der Idee sehr angetan. Und er hat noch einen Zusatzvorschlag: „Laden wir doch Carmen dazu ein.“
„Damit die glückliche Familie komplett ist“, sage ich trocken und füge dann rasch an: „Ist sie schon zurück aus der Türkei?“
„Sie hat mich angerufen. Sie ist wieder da. Du hast versucht, sie zu erreichen. Warum?“
„Hat mit der Energie-Serie zu tun.“ Warum hat sie sich bei Oskar und nicht gleich bei mir gemeldet? Okay, Oskar ist ihr Vater.
Oskar ist gerade bei einem Termin in der Nähe der Konditorei Oberlaa. Er verspricht, dort fürs Dessert zu sorgen. Wunderbar. Wer Blödsinn redet, dem wird der Mund mit Kuchen gestopft.
Ich komme mit einer vollen Einkaufstasche wieder und finde Vesna noch immer im Sessel, sie starrt über die Dächer von Wien.
„Geht’s dir nicht gut?“
„Ich mache mir wirklich Sorge. Da ist was nicht in Ordnung, ich spüre das“, murmelt Vesna. Quasi zum Trost erzähle ich ihr vom möglichen Verhältnis zwischen Carmen und dem „Pure Energy“-Boss Hohenfels. Und dass Oskar nichts davon weiß.
„Na und?“, meint sie. „Das ist ja kein Verbrechen, oder?“
Jetzt erst wird mir klar, dass heute Abend sozusagen „Cybersolar“ auf „Pure Energy“ trifft. Vielleicht wird es doch nicht so ein ruhiger Abend wie ersehnt.
Ich habe wunderschöne breite gelbe Fisolen bekommen. Vesna putzt sie und entfernt sorgfältig die Fäden. Sie werden eine feine Beilage zum Roastbeef sein.
„Seit wann es gibt Roastbeef in Gemüsegeschäft?“, hat meine Freundin gefragt, als ich meine Schätze auf der Arbeitsfläche ausgebreitet habe.
„Unter der Hand verkauft Wladimir Fleisch von einem Freund, der Galloway-Rinder züchtet“, grinse ich. „Sicher ist nie, ob er welches hat, ich hatte Glück.“
„Da sieht Steuer sicher nichts. Und Lebensmittelinspektor wahrscheinlich auch nicht“, stellt Vesna fest.
„Seit wann bist ausgerechnet du für Law and Order?“, spöttle ich.
„Man muss sich eben überlegen, was wird gefährlich.“
„Das Rind ist ungefährlich. Vor allem in seinem jetzigen Zustand.“
Ich habe das Roastbeef rundherum in einer schweren Pfanne in Olivenöl angebraten und das Backrohr auf achtzig Grad gestellt. Jetzt schneide ich viel Ingwer ganz fein und vermische ihn mit Dijonsenf und einer Handvoll grobem Meersalz.
„Du wirst Carmen heute nach Manager-Freund fragen?“, will Vesna wissen.
„Keine Ahnung. Jedenfalls nicht vor Oskar. Der ist sonst stinksauer, dass ich ihm bisher nichts davon erzählt habe.“ Ich streiche das Roastbeef liebevoll mit der Gewürzmischung ein. Es wiegt ungefähr zwei Kilo, ein bisschen etwas geht beim Braten verloren. Wir sollten jedenfalls reichlich genug haben. Essen beruhigt. Zumindest bei mir ist das so.
„Gruber hat viel getrunken, man sagt“, fährt Vesna fort.
„Warum ‚hat‘? Es wurde ja bloß eine Puppe aufgehängt.“
„Er ist verschwunden. Ich werde morgen nachsehen, ob ich Spur finde. Ich kann nur hoffen, diese ‚Cybersolar‘ hat nichts zu tun damit.“
Ich schiebe das Roastbeef in den Ofen. Nach einer halben Stunde werde ich auf siebzig Grad zurückdrehen. Danach kann das Fleisch langsam gar ziehen und bleibt trotzdem innen rosa. „Fran war es jedenfalls nicht, der die Puppe auf den Hochspannungsmast gehängt hat, dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, tröste ich Vesna.
„Weiß ich auch, aber vielleicht er
Weitere Kostenlose Bücher