Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
verteilen sie. Jeder kann sie dorthin legen oder dort verlieren. Wären meine Fingerabdrücke drauf gewesen, ich säße längst in Untersuchungshaft, nehme ich einmal an.“ Novak schüttelt den Kopf. „So gut ist das mit Sonnendorf gelaufen, wir haben Anfragen aus ganz Europa. Es gibt wirklich vielversprechende Gespräche mit der Stadt Wien. Immer mehr Menschen kommen dahinter, dass man Energieversorgung viel intelligenter und auch kostensparender organisieren kann. Und dann das! Wenn jemandem die gesprengte Gasleitung oder die Aktion beim Hochspannungsmast schadet, dann uns.“
„Sie glauben, dass jemand gezielt gegen ‚PRO!‘ arbeitet?“
Novak sieht mich an. „Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wir am Ende die besseren Argumente haben.“
Morgen ist Redaktionsschluss. Ich muss mich entscheiden, was ich bringen werde. Entweder den Cyberaufruhr mit allem rundum, natürlich samt Puppe am Hochspannungsmast. Ginge dann doch irgendwie in die Richtung Ökoterrorismus. Oder meine sonnige Sonnendorf-Reportage und daneben ein, zwei Spalten über die jüngsten Entwicklungen. – Was wäre, wenn ich vom Fest in Sonnendorf ausgehe, dann den Brand bei der Gasleitung schildere und schließlich die Frage stelle, wer da gegen wen kämpft und warum? Dass die Tageszeitungen von der Sache mit Gruber erfahren, bevor das „Magazin“ erscheint, ist leider so gut wie sicher. Wo steckt er? Der Vorstandssprecher von „AE“ hat durchblicken lassen, dass Gruber den Mund bisweilen sehr voll nimmt. Vielleicht hat er zu viel geredet. Oder jemand hatte Angst, dass er zu viel reden könnte. Zemlinsky? Hat Gruber ihn im Auftrag von „Pure Energy“ bestochen? Dass die Firma seiner Frau vom Energiekonzern Werbeaufträge bekommen hat, ist bereits sicher. Wen hat Gruber sonst noch gekauft? Lobbying bei Politikern ist international ins Gerede gekommen. In Österreich freilich geht da noch immer viel. Und auch die Parteienfinanzierung ist hierzulande nicht so transparent, wie uns die Regierung mit ihrem neuen Gesetz vorgaukelt. – Nur: Um so weite Verbindungen herzustellen, reicht der Platz, den ich bekommen habe, keinesfalls. Warum hat die Geschäftsführung meine Serie gekürzt? Weil das „Magazin“ ach so seriös und vorsichtig sein möchte? Das glaubt wirklich keiner.
Ich fahre heim, kein Reh weit und breit, dafür der in Wien typische Stau im Nachmittagsverkehr. Ich parke meinen Wagen, nehme den Lift nach oben. Ich sollte dem Generalleutnant auf seine nette SMS antworten. Wäre vielleicht gar keine schlechte Idee, mit ihm über alles, was mir durch den Kopf geht, zu reden. Er ist Stratege. Und vielleicht kriegt er sogar das eine oder andere aus Zuckerbrot heraus – das er mir dann sicher erzählen wird! Ich sollte mich nicht überschätzen. Ich steige aus dem Lift. Sperre die Tür auf. Plötzlich jemand hinter mir. Hat offenbar einen Treppenabsatz weiter oben gelauert. Ich fahre herum. Und da steht Vesna.
„Wollte ich auf dich warten“, sagt sie und klingt irgendwie geknickt.
Ich atme tief aus.
„Ich habe dich hoffentlich nicht erschreckt?“
Kaum, ich hätte nur fast einen Herzinfarkt bekommen. Was weiß man momentan schon, wer hinter einem her ist. „Komm rein.“
Ich mache uns Kaffee, wir ziehen zwei Sessel an die Glasfront zur Dachterrasse. Um jetzt draußen zu sitzen, ist es doch schon zu kalt. Aber so kann uns die Abendsonne durchs Glas hindurch bescheinen.
„Fran. Er ist normal so vernünftig. Und jetzt er ist bei diesen ‚Cybersolar‘. Ich bin nicht sicher, ob nicht er in Energieseiten gehackt hat.“
„Er hat mir schon erzählt, dass du dir Sorgen machst. Ich bin auf die Homepage von ‚Pure Energy‘ gegangen und da waren die Sonnen. Ich kenn mich mit so etwas nicht so gut aus, also hab ich ihm eine E-Mail geschickt. Vorher hat er von ‚Cybersolar‘ nichts gewusst.“
„Sagt er. Und wenn es so war: Er findet es jetzt gut. Du glaubst, der Dummkopf bekommt Job als Computerfachmann, wenn er unterstützt Leute, die in Seiten einbrechen?“
„Die stellen manchmal sogar Hacker an“, versuche ich meine Freundin zu beruhigen.
„Na wunderbar!“, fährt sie auf. „Aber nicht als Chef von Abteilung!“
„Mir gefällt auch nicht, was ‚Cybersolar‘ auf Facebook schreibt. Klingt schaurig selbstgerecht“, gebe ich zu. „Aber gerade die Jungen wollen eben nicht mehr warten, bis sich etwas ändert. Denk an die vielen Demokratiebewegungen übers Internet, ist ja eigentlich ein großartiges Zeichen
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