Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Maßschuhe, den neuesten Businessanzug, spielt ihr mit den einen Golf und mit den anderen Paintball, habt ihr in Leoben an der Montanuniversität und in St. Petersburg studiert, daneben ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und in Moskau auch noch die Schule eines privaten Sicherheitsdiensts besucht, damit ihr euch und eure Freunde gleich selbst verteidigen könnt?“
„Du kennst Mister Superman aber verdammt gut“, sagt Fran kauend. „Das Roastbeef ist ganz große Klasse“, sagt er nebenbei zu mir.
Oskar wirft seiner Tochter einen fragenden Blick zu.
„Ich hab seinen Lebenslauf gelesen, das ist alles. Und außerdem wird in jeder Firma getratscht. Stepanovic ist einfach ein bisschen zu toll unterwegs, finden einige. Aber er soll ganz oben in der Konzernzentrale wichtige Gönner haben. Seine Osteuropa-Connections und dass er fließend Russisch kann: das kommt bei denen wohl gut an.“
„Welche Osteuropa-Connections?“, will ich wissen.
„Das weiß offenbar keiner so genau“, murmelt Carmen. „Es gibt auch seltsame Löcher in seiner Biografie. Nach den Studien scheint er drei Jahre nirgendwo gewesen zu sein. Und plötzlich taucht er dann im Dunstkreis von ‚Pure Energy‘ auf.“
„Vielleicht eine Weltumsegelung? Würde zu so einem Supermann doch wunderbar passen“, spöttelt Fran.
Carmen grinst. „Die würde er in einem halben Jahr schaffen. Und jede Menge Wind darum machen. Vielleicht gehen wir ihm ohnehin alle auf den Leim und er ist einfach ein wichtigtuerischer Karrierist. In den ersten Jahren nach dem Studium hat er wahrscheinlich so miese Jobs gehabt, dass er einfach keine Lust hat, sie im Lebenslauf zu erwähnen.“
„Stimmt es, dass ‚Pure Energy‘ mit russischem Geld finanziert wird?“, will ich wissen.
Carmen runzelt die Stirn. „Alles weiß eine Praktikantin auch nicht. Alles weiß nicht einmal … wissen nicht einmal die, die schon länger mit dabei sind, glaube ich. Russisches und chinesisches Kapital ist sicher mit drin, das ist ja auch offiziell. Nur: wie viel davon …“
„Entscheidend ist, wer die Fäden zieht“, mischt sich Jana ein.
Zu Kuchen, Torten und Petit Fours – Oskar hat eine solche Menge herangeschleppt, als hätten wir eine Hochzeitsgesellschaft zu verköstigen – gibt es das Video auf YouTube. Fran lästert über den kleinen Bildschirm meines Laptops, aber was brauche ich zum Schreiben mehr als fünfzehn Zoll, gibt dann in unglaublicher Geschwindigkeit ein paar Befehle ein und der Film startet. Er ist in eher mäßiger Qualität, wie das meiste, was man auf YouTube abrufen kann. Man sieht einen ausgesprochen noblen Festsaal. Weiß gedeckte Tische mit vielen Gläsern und edlem Besteck, dreißig oder vierzig Sitzplätze. Der Saal ist leer. Schwenk zu einem Sideboard mit Weinflaschen. In Großaufnahme sieht man, es sind Rotweine. Und keine üblen. Château Pétrus, Château Lafite, Château Margaux und ein paar andere nobel aussehende Bordeaux-Weine. Eine Stimme aus dem Off: „Ich bin da ja nur einer der Kellner, aber heute gibt es etwas Besonderes zu feiern: die zweiten Internationalen Energiegespräche. Da treffen sich Menschen, die viel von teurem französischem Rotwein verstehen. Und manche von ihnen können auch eine Menge trinken. Nur, ob sie es vertragen …“
Schnitt. Man sieht Männer in dunklen Anzügen an den Tischen sitzen, einige wenige Frauen sind auch dabei. Offenbar ist das Essen bereits vorbei, zerknüllte Stoffservietten, leere und halbvolle Gläser. Schwenk auf einen Mann mit großem Kopf und schütteren Haaren. Die Stimme aus dem Off: „Sieh an, der frühere deutsche Kanzler. Wen ich heute alles bedienen darf … Aber er arbeitet jetzt ja fleißig daran, dass lange Gasleitungen von Asien nach Europa gebaut werden. Da hat er sich einen guten Schluck verdient.“ Man sieht den deutschen Exkanzler trinken. Schwenk zu einem anderen Tisch. „Und hier das Konsortium der russischen Erdgasindustrie. Wenn es sein muss, nehmen sie auch Rotwein. Sie sind höfliche Menschen. Meistens.“ Einer der Russen steht auf, hebt sein Glas, hält eine kurze Rede, die nicht zu verstehen ist. Schwenk zum Tisch daneben. „Ach ja, und gleich daneben die Abordnung von ‚Pure Energy‘. Einer von ihnen scheint Rotwein ganz besonders zu lieben.“ Wir sehen Gruber in Großaufnahme. Er kann nicht mehr gerade sitzen, greift einem Kellner hinter ihm auf den Arm, deutet, er solle ihm nachschenken.
„Da ist Stepanovic!“, ruft Carmen. „Der Schlanke neben
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