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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Gruber.“ Dunkler Typ mit kurz geschnittenen Haaren, drahtig, mit ausgeprägten Backenknochen. Der Anzug sitzt perfekt. Mitte dreißig, schätze ich. Er wirkt, als hätte er sich immer unter Kontrolle. Er sieht Gruber angewidert an.
    „Gruber ist total betrunken“, kommentiert Vesna.
    „Zuhören! Gleich kommt es!“, sagt Jana.
    Gruber steht langsam und schwankend auf, er scheint es dem Russen nachmachen und auch eine Rede halten zu wollen. Er fängt einen Löffel vom Tisch und klopft damit gegen das Glas. Er klopft so heftig, dass das Glas bricht. „Scheiße“, hören wir ihn sagen. „Aber Scherben bringen Glück. Liebe Freunde im Öl, wenn ich so sagen darf, wir haben Glück. Lasst uns auf unsere Partner trinken, gemeinsam werden wir die Welt erobern! Nastrovje!“ Einige klatschen. Man sieht, wie Stepanovic versucht, ihn zum Niedersetzen zu bewegen. Aber Gruber schüttelt seinen Kollegen ab. „Wir müssen nur fest zusammenhalten, das war schon immer so – kann mir jemand ein Glas Wein geben, ich habe dafür gesorgt, dass es heute nur das Beste gibt, Sie sind unsere Gäste, nur das Beste für die Gäste – wir müssen uns also zusammenhalten und unter die Arme geifern … äh … grabschen … äh … oder so.“ Er stützt sich am Tisch ab. „Sie verstehen, was ich …“ Stepanovic beginnt heftig zu klatschen, die Kamera schwenkt durch den Saal, die meisten Menschen klatschen mit. Haben sie ihm gar nicht zugehört? Verstehen sie ihn nicht? Wollen sie bloß, dass er endlich ruhig ist? Der ehemalige deutsche Kanzler steht auf und verlässt den Saal, seine Begleiter folgen ihm. Die Stimme aus dem Off: „Natürlich war ich dem Herrn Gruber sehr dankbar, wir mussten nicht so lange nachschenken, wie zu befürchten war. Irgendwie hat seine Rede doch einigen auf den Magen geschlagen.“
    Schnitt. Man sieht den leeren Raum, ein paar Kellner räumen Gläser ab. Auf den Tischen stehen viele noch halbvolle Rotweinflaschen. „Schade drum, und: Prost!“ Wir sehen einen jüngeren Mann mit einer Frisur, die in den Sechzigerjahren modern war, „Beatleslook“ hat man das damals genannt, und Kellnerkleidung. Er greift sich einen Château Lafite, hält ihn in die Höhe und nimmt einen großen Schluck aus der Flasche. „Damit habe ich soeben rund einhundert Euro vernichtet. Peanuts!“ Er grinst und der Film ist aus.
    „Ist Original oder nur guter Fake?“, fragt Vesna.
    „Original“, antwortet Jana. „Ich habe recherchiert: Es hat diese Internationalen Energiegespräche gegeben und es waren die Leute dabei, die in dem Film zu sehen sind. Es gab ein exklusives Abendessen, Medien hatten keinen Zutritt. Einige Beobachter haben sich gewundert, dass es so früh aus war. Und die Russen haben dem Barmann im Hotel erzählt, dass da ein Österreicher war, der nichts vertragen hat. Und ein deutscher Politiker ohne Humor.“
    „Die ganze Sache ist typisch für Gruber“, kommentiert Carmen.
    „Da ist noch was: Seit gestern ist das Video von YouTube gelöscht. Ich habe es rechtzeitig gesichert“, murmelt Fran und schielt nach einem Stück Schokoladentorte.
    „Und seit vorgestern ist Gruber verschwunden“, füge ich hinzu.

[ 8. ]
    Am nächsten Tag übertreffen sich die Zeitungen darin, vor Hackern zu warnen. „Cybersolar“ wird als kriminelle Untergrundorganisation gebrandmarkt. Das „Blatt“ hat auf der Titelseite aus aktuellem Anlass sogar einen der seltenen Kommentare des Herausgebers veröffentlicht:
    „Internet-Betrüger oder Hacker sind um nichts besser als Geldfälscher oder Einbrecher. Sie umgeben sich gern mit dem Nimbus des unsichtbar Mächtigen, des Rächers der Kleinen, der es jetzt allen zeigt. Zu feige, in der realen Welt Ladendiebstähle zu begehen, treiben sie in der vorgeblich virtuellen Welt frech ihr Unwesen. Und sie werden allmählich gefährlicher als die klassische Unterwelt.“
    Vesna dürfte recht haben: Wer im Umfeld von „Cybersolar“ unterwegs ist, bekommt Schwierigkeiten. Interessanterweise berichten weder Zeitungen noch elektronische Medien darüber, dass Gruber verschwunden ist. Und auch die Sexpuppe auf dem Hochspannungsmast scheint sich nicht herumgesprochen zu haben.
    Vesna hat herausgefunden, dass Gruber eine Lebensgefährtin hat. Eine Universitätsprofessorin, erstaunlicherweise. Ich hätte als seine Partnerin eine aufgedonnerte Blonde vermutet. Aber wer weiß, vielleicht gibt’s solche ja auch unter den Professorinnen. Wahrscheinlich war er nützlich für ihre Karriere,

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