Unter Verdacht
Unterschlagungen festzustellen. Und, wie sie hoffte, auch die Methode! So würden sie dem Geldfluss folgen und den Initiator des Ganzen finden können. Wenn sich jetzt aber die Behörde mit der Sache beschäftigte, wurde alles ungleich komplizierter. Es würde ein Wettlauf mit der Zeit werden! Die Beamten würden gegen sie, Karen, ermitteln. Das stand ziemlich sicher fest. Und genaugenommen musste sie dieser Vorgehensweise sogar zustimmen. Als Inhaberin von »Candela & Partner« war sie für alles, was in ihrer Firma vorging, verantwortlich.
Um ihre Unschuld zu beweisen, konnte sie nur eines tun: schnell und effektiv recherchieren. Es galt Beweise zu finden, die unwiderlegbar klarmachten, dass sie mit den Unterschlagungen nichts zu tun hatte.
»Was halten Sie davon?« hörte Karen Sylvia jetzt fragen und sah in ein fragendes Paar Augen.
Karen schwieg. Was sollte sie auch sagen? Sie konnte Sylvia schlecht einweihen. Sylvia würde sofort wissen, dass sie, Karen, in dieser Situation weder für die Liquidität noch für die Stabilität von »Candela & Partner« garantieren konnte. Und damit auch nicht für den reibungslosen Ablauf der Aufträge. Sylvia müsste zwangsweise die Mercura informieren, dass »Candela & Partner« kein tragbarer Geschäftspartner mehr war. Das hätte zur Folge, dass man den Auftrag zurückzog. Und das konnte sie jetzt nicht auch noch gebrauchen.
Andererseits: War es nicht unfair gegenüber Sylvia, sie im Unklaren zu lassen? Außerdem – über kurz oder lang würde sie mit ziemlicher Sicherheit sowieso von der Sache erfahren. Wenn nicht von der Kripo, dann über Gerüchte oder einfach per Zufall. War es da nicht besser, Sylvia hörte von ihr die Geschichte als später über Dritte?
Karen seufzte. »Offenheit gegen Offenheit, Sylvia. Ich muss Ihnen etwas erzählen.«
Karen war fertig. Ratlos zuckte sie die Schultern. »So sieht es aus.«
»Sie müssen zur Polizei gehen und erzählen, was Sie mir gerade erzählt haben«, sagte Sylvia spontan.
»Was zur unmittelbaren Folge hätte, dass man mich festnimmt. Die Unterschlagungen sind nachweisbar, meine Unschuld nicht. Man wird denken, ich inszeniere ein Ablenkungsmanöver. Bernd Drechsler ist zu keiner Aussage zu bewegen. Vor der Polizei kann er alles abstreiten.«
»Was wollen Sie sonst tun?«
»Zunächst einmal eine Nacht darüber schlafen. Dann werde ich mit Ralf Gregor sprechen. Vielleicht hat er eine Idee.«
»Kein besonders guter Plan.«
»Ich weiß, aber ich habe keinen besseren, bis Reimann mit seinen Recherchen fertig ist und Näheres sagen kann. Ich danke Ihnen, dass Sie zu mir gekommen sind, Sylvia. Das kann Sie unter Umständen in Schwierigkeiten bringen. In Zukunft ist es wohl besser, Sie halten sich aus all dem raus.«
Karen stand auf, ging nach hinten zur Küche und kam mit einer Flasche Kognak und zwei Gläsern wieder. Sie schenkte ein und reichte Sylvia eines der Gläser.
»Auf den Schreck«, sagte sie und trank einen Schluck.
Sylvia dagegen nippte nur an ihrem Glas. »Sie sollten sich mehr Sorgen um sich als um mich machen«, meinte sie ernst. »Das Ganze sieht ziemlich übel aus. Auf Unterschlagung stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis.«
»Sie kennen sich aber gut aus«, erwiderte Karen erstaunt.
»Mein Vater ist Rechtsanwalt. Vielleicht sollten Sie sich mit ihm in Verbindung setzen.«
»Danke für das Angebot. Aber ich habe einen Firmenanwalt«, wehrte Karen ab. Auf gar keinen Fall würde sie Sylvia in irgendeiner Weise da mit hineinziehen. Auch nicht indirekt über ihren Vater.
»Hoffentlich ist er gut und kennt sich auch im Strafrecht aus«, gab Sylvia ihren Bedenken Ausdruck.
»Das wird sich jetzt herausstellen«, sagte Karen nur. Ich hoffe es doch sehr! Markus Wollin war immerhin Gregors Geheimtipp gewesen. Und bisher hatte Gregor gehalten, was er versprochen hatte. Allerdings handelte es sich bisher auch nur um kleinere Rechtsstreitigkeiten, die nicht mit der momentanen Situation zu vergleichen waren.
Sylvia schüttelte den Kopf. »Wie können Sie nur so ruhig bleiben, Karen?«
»Einen Feind, den man nicht kennt, kann man nicht bekämpfen.« Karen lächelte und legte ihre Hand auf Sylvias Arm, bevor sie sich ihr näherte. »Aber dafür habe ich eine Freundin gefunden.«
Sylvia spürte den sanften Kuss auf ihrer Wange. »Ja, aber eine sehr ratlose«, meinte sie halb resigniert, halb verlegen. Ihr Herz schlug mit einem Mal sehr laut. »Und nun?«
»Nun mache ich Ihnen das Bett im Gästezimmer zurecht.
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