Unter Verdacht
Neugier.
»Sehr nett«, antwortete Sylvia gelassen.
»Das ist gut!« frohlockte Anne. »Und weiter?«
»Nichts weiter.«
»Das ist schlecht.« Annes Freude verflog sofort wieder.
»Anne!« Sylvia sprach zu ihrer Freundin wie zu einem Kind, dem man zum hundertsten Male Eis mit Cola verbot. »Hör bitte endlich damit auf, mich verkuppeln zu wollen. Torsten ist wirklich ein angenehmer Gesellschafter. Aber ich suche mir meinen Lebenspartner selbst.«
»Ihr trefft euch nicht noch mal?« Anne sah regelrecht unglücklich aus.
»Das habe ich nicht gesagt.«
Anne schnalzte schelmisch mit der Zunge. »Aaaaah.«
Sylvia winkte ab und nahm ihre Aktentasche.
»Ich muss los. Vorlesung. Keine Zeit für deine Mutterinstinkte.«
Endlich mal ein ruhiger Abend. Sylvia saß zufrieden, die Beine überkreuzt, in ihrem Lieblingssessel und las. Mozart lag auf ihrem Schoß. Das Klingeln an der Haustür störte sie beide in ihrer Gemütlichkeit. Mozart stellte die Ohren seitwärts und schaute sie aufmerksam an. Sylvia streichelte ihrem Kater beruhigend über den Rücken und legte das Buch beiseite. Nicht gerade glücklich über die Störung ging sie, um zu öffnen.
Vor der Tür standen zwei Männer. Der jüngere schätzungsweise Ende zwanzig, hochgewachsen, Tagesbart, Jeans und Lederjacke. Der andere, mindestens fünfundvierzig, sah aus, wie aus dem Ei gepellt, in korrekt sitzendem Anzug, und hielt ihr seinen Ausweis unter die Nase.
»Hauptkommissar Holzner, Abteilung Wirtschaftsverbrechen«, stellte er sich vor. »Mein Kollege Kommissar Keller. Frau Mehring, dürfen wir hereinkommen und ein paar Fragen an Sie stellen?«
»Worum geht es denn?« fragte Sylvia befremdet.
Holzners Blick ging an ihr vorbei. Sylvia öffnete die Tür, ließ die Beamten ein, führte sie in das Wohnzimmer und bot ihnen Platz an.
»Wie gut kennen Sie Frau Candela?« begann Holzner das Gespräch ohne weitere Einleitung.
Sylvias Befremden wuchs. Zurückhaltend antwortete sie: »Wir arbeiten gemeinsam an einem Projekt für die Mercura-Immobilien. Frau Candela gewann einen von der Mercura ausgeschriebenen Wettbewerb. Ich bin in der Funktion der Beraterin für die Mercura tätig.«
»Ist Frau Candela ein zuverlässiger Geschäftspartner?«
»Meinem Eindruck zufolge ja. Ihre Referenzen sind ausgezeichnet, und soweit ich weiß, gibt es keine negativen Verlautbarungen über sie in der Branche. – Würden Sie mir vielleicht sagen, worum es hier eigentlich geht?«
»Wir verfolgen lediglich einen Hinweis. Reine Routine.« Ein Satz, den Holzner schon Tausende Male gesagt hatte und deshalb automatisch runterspulte.
»Was für ein Hinweis?« wollte Sylvia wissen.
»Sie verstehen sicher, dass wir darüber keine Auskunft geben dürfen.« Die gleiche unbeteiligte Stimme.
»Und Sie verstehen sicher, dass ich Frau Candela nicht schaden möchte«, entgegnete Sylvia.
»Haben Sie privaten Kontakt?« fragte Keller.
»Ist das für Ihre Routineuntersuchung von Bedeutung?«
»Können Sie Frau Candela charakterisieren?« änderte Keller seine Frage ab.
»Beruflich engagiert, fairer Streit, zu Recht erfolgreich.«
Holzner nickte. »Eine Karrierefrau also?«
»Wenn Sie so wollen. Aber im positiven Sinne.«
»Das hört sich an, als kennen Sie sich gut«, hakte Keller erneut nach.
»Eigentlich nicht. Wir arbeiten erst kurze Zeit zusammen«, widersprach Sylvia.
»Also beruht Ihre Beurteilung nur auf dem ersten Eindruck, will sagen, sie ist nicht unbedingt zuverlässig?«
Sylvia runzelte die Stirn. »Sie haben mich gefragt, wie ich sie charakterisieren würde. Das habe ich getan. Wenn Sie bereits ein anderes Profil erstellt haben und jetzt enttäuscht sind, weil die erhoffte Bestätigung ausbleibt, ist das Ihr Problem.«
»Sie irren. Wir sind nicht voreingenommen. – Ist Ihnen bekannt, ob die Firma Candela finanzielle Probleme hat?«
»Ich weiß sicher, dass die Firma Candela kreditwürdig und liquid ist. Das hat die Mercura vor Auftragsvergabe geprüft. Warum stellen Sie diese Frage?«
»Berufskrankheit. Eine schwierige finanzielle Situation ist oft der Ausgangspunkt für eine Straftat. Und mit solchen beschäftigen wir uns nun einmal.«
Sylvia erschrak. »Wollen Sie damit sagen, Sie ermitteln gegen Frau Candela? Was werfen Sie ihr denn vor?«
Holzner schüttelte mit dem Kopf. »Wir dürfen, wie gesagt, keine Auskunft geben.«
Die Männer erhoben sich. »Bitte entschuldigen Sie die Störung«, sagte Holzner.
Sylvia führte sie zur Tür. Keller wandte sich
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