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Unter Verdacht

Unter Verdacht

Titel: Unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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Sylvia Mehring, Professorin der Architektur, bekannt für ihre kühle Beherrschung und überlegene Ruhe, total aus selbiger. Was war das für eine unsinnige Freude, die sie empfand, wenn sie Karen sah? Und warum wollte sie jetzt am liebsten Karen anrufen, um ihre Stimme zu hören?
    Ehrlicherweise musste Sylvia sich eingestehen, dass ihr Inneres aus dem Gleichgewicht geraten war. Im Normalfall machte es sie weder unsicher noch verlegen, mit anderen starken Persönlichkeiten, ganz gleich ob Mann oder Frau, zusammenzutreffen. Was war anders bei Karen? Und warum übte sie eine solche Anziehungskraft auf sie aus?
    Seit ihrem letzten Gespräch mit Karen, da sie nun definitiv wusste, dass Karen lesbisch war, beunruhigten sie ihre Gefühle noch mehr. Bisher hatte sie diese auf eine ungewöhnlich schnell stärker werdende Freundschaft zwischen ihr und Karen geschoben. Vielleicht wusste ihr Unterbewusstsein aber mehr über die Art ihrer Gefühle. War sie an Karen interessiert? Und was war mit Karen? Sie hatte bisher mit keiner Silbe oder Geste ernsthaft angedeutet, dass sie an ihr, Sylvia, ein anderes Interesse als das berufliche oder freundschaftliche hegte. Aber wenn ein solches Interesse nicht bestand, dann hätte Karen ihr doch schon früher erzählen können, dass sie lesbisch war. Gelegenheiten hierzu hatte es mehrere gegeben. Vielleicht hatte Karen jedoch nichts erwähnt, um sie nicht weiter zu verunsichern. Denn dass sie, Sylvia, in Karens Nähe häufig errötete oder verlegen wurde, konnte ihr nicht entgangen sein. Wollte Karen ihr Zeit lassen, sich über sich selbst klarzuwerden? Aber worüber denn? Dass sie in Karen verliebt war? Sylvia schalt sich schon wegen der flüchtigen Erwägung dieser Frage.
    In dieser Nacht schlief Sylvia unruhig. Wiederholt wachte sie auf, ihr Herz raste bei der Erinnerung daran, wie Karens Hände zärtlich ihre Brust streichelten oder Karens leidenschaftlicher Kuss einen Schauer des Wohlbefindens über ihren Rücken laufen ließ. Natürlich waren das nur Traumgebilde.
    Am Morgen fühlte Sylvia sich völlig zerschlagen. Unzufrieden mit sich selbst und ihrer Unfähigkeit, ihre Gedanken unter Kontrolle zu bringen, schimpfte sie: »Reiß dich jetzt endlich mal zusammen!«
    Eine ausführliche Dusche wischte wenigstens einen Teil der wirren Empfindungen weg, so dass sie anschließend in halbwegs akzeptabler Form war. Sylvia packte Diskette und Unterlagen für ihren heutigen Vortrag in die Tasche und ging hinunter zum Frühstück in das Hotelrestaurant.
    Irgendwie schaffte sie es, sich auf die Beiträge des Vormittags und ihren eigenen Vortrag zu konzentrieren. In der Mittagspause rief sie Karen auf ihrem Handy an, aber die ging nicht ran. Sylvia versuchte es mehrmals in dieser Stunde, aber immer mit demselben negativen Ergebnis. Nur die Mailbox meldete sich. Enttäuscht ging sie zurück zum Symposion – um es bereits nach zehn Minuten wieder zu verlassen. Sie checkte im Hotel aus und nahm statt der späten Abendmaschine den ersten Flug am Nachmittag zurück nach Berlin. Wie sie das Bauer später erklären wollte, wusste sie noch nicht, aber sie konnte nicht länger gegen die Unruhe in sich ankämpfen.
    »Ich brauche einfach nur meine gewohnte Umgebung, um mich wieder zu sammeln«, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.
    Die zweieinhalb Flugstunden verbrachte Sylvia damit, Zeitung zu lesen. Von Tegel aus nahm sie sich ein Taxi und ließ sich zur Uni fahren. Sie rief erneut Karen an. Wieder nur die Mailbox. Also versuchte sie es im Büro. Als sich Frau Stahmann am anderen Ende meldete, merkte Sylvia sofort, dass etwas passiert sein musste.
    »Welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?« erkundigte sie sich.
    »Ach, Sie sind es Frau Mehring. Ich habe von Frau Candela den Auftrag bekommen, Sie zu bitten, sich in Ihrer Sache vorübergehend mit Herrn Gregor abzustimmen.«
    »Ist denn Frau Candela nicht da?« Sylvia versuchte ihre Enttäuschung zu unterdrücken. Und warum sollte sie sich ausgerechnet an Gregor wenden?
    »Frau Candela ist gestern Nachmittag verhaftet worden.«
    Sylvia stürmte in Frau Stahmanns Vorzimmer.
    »Frau Candela wurde verhaftet?« Fassungslos wiederholte Sylvia die Nachricht, die ihr Frau Stahmann vor zwanzig Minuten am Telefon übermittelt hatte.
    »Ja«, schluchzte die Frau. »Die beiden Beamten, die vor knapp einer Woche hier waren, tauchten gestern urplötzlich auf. Zehn Minuten später marschierten sie mit Frau Candela im Schlepptau wieder heraus. Frau

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