Unter Verdacht
ich natürlich der Meinung, Sie hätten die Situation voll im Griff. Ich fand nichts Außergewöhnliches an dem, was ich sah, und wollte einfach nicht stören.«
»Wie rücksichtsvoll von Ihnen. Aber Sie scheinen sich nicht besonders gut auszukennen, wo der Unterschied zwischen einer zärtlichen Umarmung und einer Umklammerung liegt«, sagte Karen ironisch.
»Ich werde in Zukunft besser hinsehen, wenn ich Sie in den Armen von anderen Frauen sehe.«
»Von anderen Frauen?« Karen betonte das »anderen« und sah Sylvia mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an. »Wie meinen Sie das?«
Sylvia wurde rot. Sie hatte die Zweideutigkeit ihrer Bemerkung in dem Augenblick bemerkt, da sie ausgesprochen war. »Sie drehen einem das Wort im Mund um, Karen.« Sylvia bemühte sich, ihre Verlegenheit zu unterdrücken.
Karen lächelte. Aber natürlich, Schätzchen. Denn was sich hier gerade abspielt, ist eine bessere Eifersuchtsszene. Auch wenn du versuchst, cool zu tun. Deine Reaktion verrät dich. Ich weiß nur noch nicht, ob dir klar ist, was hier gerade passiert. Doch ich denke, du ahnst etwas davon.
Der Kellner brachte das Essen. Karen lenkte das Thema jetzt auf das Projekt. Und das war Sylvia nur recht. Anschließend gingen sie zurück in Karens Büro, um endlich mit der Arbeit zu beginnen, die durch Miriams Szene verschoben worden war.
Sie waren mitten in der Diskussion, als es an der Tür klopfte. Holzner und Keller traten ein. Und diesmal hatten sie noch einen Kollegen mitgebracht.
»Guten Tag, die Herren.« Karen sah auf. »Was kann ich für Sie tun?«
»Guten Tag, Frau Candela.« Holzner nickte Sylvia zu. »Frau Mehring.« An Karen gewandt fuhr er fort. »Können wir Sie einen Moment sprechen?«
»Nun sind Sie ja schon hier.«
»Das ist mein Kollege Sachs«, stellte Holzner den neuen Mann vor. »Er möchte Ihnen einige Fragen stellen. Es geht um Herrn Drechsler.«
»Ja? Was ist mit ihm?«
»Er wurde getötet«, antwortete Sachs trocken.
Karen blickte ungläubig von ihm auf Holzner, dann wieder zu Sachs. »Was sagen Sie da?«
»Erschossen. Aus etwa zehn Metern Entfernung. Selbstmord scheidet also definitiv aus«, übernahm Sachs auch die weitere Gesprächsführung. Er zog ein Notizheft hervor und begann zu fragen: »Herr Drechsler war Buchhalter bei Ihnen?«
In Karens Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander. Drechsler tot? Getötet! Was war passiert? Hatte er auf Grund des Druckes, den Endrich auf ihn ausübte, etwas getan, was ihn das Leben kostete? Ging er vielleicht zu Gregor und verlangte, dass dieser sich stellen sollte? Tötete Gregor ihn daraufhin, weil er Angst hatte, Drechsler würde ihn nun doch verraten? Wo war Endrich gewesen, der Gregor doch im Auge behalten sollte?
»Frau Candela?« hörte Karen Sachs fragende Stimme.
»Bitte?« Karen versuchte sich zu konzentrieren.
»Herr Drechsler war Buchhalter bei Ihnen?« wiederholte Sachs seine Frage.
»Ja, ja, das war er. Hauptbuchhalter genau gesagt. Und ein sehr guter.«
»Er hat sich also nie etwas zu Schulden kommen lassen?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Könnten Sie das näher erläutern?« fragte Sachs geduldig.
»Wie Ihren Kollegen bekannt sein dürfte, ist die Firma in Unterschlagungen verwickelt. Drechsler war es, der mir den ganzen Schaden, etwa eine Woche vor Ihrem ersten Erscheinen in der Firma, zur Kenntnis gab.«
Karen überlegte, ob sie der Kripo von ihrem Gespräch mit Drechsler erzählen sollte. Man würde ihr sicher nicht glauben, weil es für die Beamten wieder so aussah, als wolle sie sich herausreden. Doch es ging hier um Mord. Da durfte sie nicht verschweigen, was sie wusste. Vielleicht gab es ja einen Zusammenhang mit seinem Tod.
Karen begann also zu erzählen.
»Warum haben Sie uns nicht schon vorher davon erzählt?« wollte Holzner wissen, während Sachs seine Notizen beendete.
Karen beantwortete die Frage nicht. Das war ja wohl auch völlig überflüssig. Holzner kannte die Antwort ebenso wie sie.
»Was haben Sie daraufhin unternommen?« wollte Sachs wissen.
»Nichts. Drechsler hat von sich aus gekündigt. Er war nicht bereit, mir mehr zu sagen.«
»Und?« hakte Sachs nach.
»Er riet, einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu holen, was ich tat.«
»War Drechsler nach Ihrem Gespräch sehr aufgeregt?«
»Im Gegenteil. Mir kam Herr Drechsler eher ruhig vor. Er sah alt aus.«
»Es gab also keinen Streit zwischen Ihnen?«
»Nein.«
»Und Sie haben sein Schweigen einfach hingenommen?«
»Was blieb mir
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