Unter Verdacht
»Du hast ja recht. Und ich habe es begriffen!«
»Na hoffentlich.«
»Können wir den Disput damit jetzt beenden?« fragte Sylvia gereizt.
Werner Mehring winkte ab. »Sicher.« Er schüttelte erneut den Kopf. Dann wechselte er das Thema. »Karen, ich habe gute Neuigkeiten. Wir haben diesen Zeugen, Frank Bachmann, etwas genauer beleuchtet. Er ist nicht nur ein krankhafter Spieler, sondern hat auch Schulden bis über beide Ohren. Von mir mit den Tatsachen konfrontiert, ist er umgefallen. Er war ein leicht zu steuerndes Werkzeug in Gregors Händen. Er wird seine Aussage widerrufen. Sobald das erledigt ist, sind Sie zumindest in dem Punkt entlastet. Und wir können uns dann noch konkreter um Gregor kümmern. Es geht bergauf, Karen!«
Karen hütete sich vor allzu großer Euphorie. Trotzdem. Immerhin konnte die Kripo nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass hier offenbar etwas nicht stimmte. Und die Theorie der Intrige gegen sie wurde so auch glaubhafter.
»Vielleicht erfahren wir ja von Bachmann einiges«, meinte Karen. »Vorausgesetzt, er besitzt Hintergrundwissen, sollte es nicht schwer sein, ihm dieses zu entlocken. Immerhin braucht er Pluspunkte, um nicht wegen Falschaussage belangt zu werden. Er könnte seine falsche Aussage als erpresste Schuldenrückzahlung darstellen. In seiner Situation durchaus glaubwürdig. Wir bieten ihm, dass er so noch mal glimpflich davonkommt.«
»Wie wird Gregor auf die neue Situation reagieren?« gab Sylvia zu bedenken. »Wenn er wirklich Drechsler ermordet hat, weil dieser ihn belasten konnte, wird er dann nicht auch kurzerhand Bachmann beseitigen? Sollte man Bachmann nicht lieber in Schutzhaft nehmen lassen?«
Die Antwort ihres Vaters fiel wenig aufbauend aus.
»Der Vorschlag mit der Schutzhaft hat was für sich. Allerdings nur für jemanden, der unserer Version der Geschehnisse glaubt. Andererseits ist er ziemlich unplausibel. Alibi hin oder her. Es ist nicht auszuschließen, genauer gesagt sogar wahrscheinlich, dass die Kripo meint, dass der Mord auf Karens Konto geht. Sie könnten ja jemanden für die Ausführung engagiert haben. Deshalb macht eine Schutzhaft Bachmanns in deren Augen natürlich gar keinen Sinn. Bachmann will Karen ja entlasten. Und dies wird das Problem sein, wenn wir ihm das Angebot machen. Wenn auch er, wie wir, in Gregor den Mörder Drechslers vermutet, wird er sich auf keinen Handel einlassen, weil er Angst hat, Drechslers Schicksal zu teilen.«
Karen seufzte. Wenn es wirklich bergauf ging, dann aber mit sehr schwacher Steigung!
Es war schon neun, als Sylvia endlich nach Hause kam. Mozart lief in Erwartung seines Futters aufgeregt zwischen ihren Beinen herum, womit er den Zeitpunkt seines Abendbrotes natürlich eher hinauszog als beschleunigte. Kaum hatte Sylvia die Büchse geöffnet und etwas Futter in die Schale getan, klingelte das Telefon.
»Ich möchte, dass Sie sich von Karen fernhalten.«
Sylvia erkannte Miriams Stimme am anderen Ende der Leitung. Der offen drohende Unterton ließ nichts Gutes erahnen.
Doch größer als Sylvias Verwunderung über diese Art von Forderung war ihr Ärger über eine derartige Unverfrorenheit. Miriam konnte ihr doch nicht ernsthaft vorschreiben wollen, mit wem sie ihre Zeit verbrachte!
»Sonst?« fragte Sylvia deshalb ungewöhnlich aggressiv.
»Wissen Sie eigentlich, wie konservativ im Grunde unsere Umwelt ist? Die Menschen wollen sich und erst recht ihre Kinder gut aufgehoben wissen. Werte sind wichtig. Die Uni als stabiler Faktor in der Entwicklung zum Erfolgsmenschen, dem intakten Familienleben entgegen. Keine Randgruppen. Leute, die Drogen nehmen, sind ebenso unerwünscht wie Homos. Und dann – die Vorzeigeprofessorin, eine Lesbe. Wenn das bekannt wird. Aus Ihrer Position können Sie sehr tief fallen, meine Liebe.«
Ein Knacken in der Leitung. Miriam hatte aufgelegt.
»Verdammt!« murmelte Sylvia vor sich hin. War das Ganze nicht schon kompliziert genug? Jetzt hatte sie auch noch diese Irre am Hals. Sollte sie Karen von Miriams Anruf erzählen? Damit würde sie nur erreichen, dass Karen Miriam zur Rede stellte. Miriam würde sich dann an sie, Sylvia, halten, um ihren Ärger abzureagieren. Wenn nun Miriam aber feststellte, dass ihre Drohung wirkte, wer weiß, wie weit sie ihr Spiel dann noch trieb? Wie Sylvia es auch drehte, sie hatte den Schwarzen Peter in der Hand.
21.
B ecker, der Bauleiter, reichte Karen und Sylvia die Schutzhelme. Er führte sie eilig durchs Baugelände.
»Wir liegen
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