Unter Verdacht
beide. Karen schwieg.
»Wie geht es dir, Karen? Man hört ja gar nichts mehr von dir. Hängt das mit der kleinen Professorin zusammen? Wie man sagt, seid ihr ja die dicksten Freundinnen.«
Das war also der Grund. Miriam konnte ihre Eifersucht einfach nicht mehr zügeln. Der geringschätzige Ton in ihrer Stimme zeigte dies deutlich.
»Ich wüsste nicht, dass ich dir gegenüber Rechenschaft ablegen muss.« Karen blieb völlig ruhig.
»Sie ist genau dein Typ, nicht wahr? Du kannst es ruhig zugeben. Ich kenne deinen Geschmack«, bohrte Miriam.
Karen erwiderte nichts. Sie hatte nicht die Absicht, sich auf ein Streitgespräch einzulassen.
Miriam verfiel plötzlich in einen weinerlichen Ton. »Karen, mach es mir doch nicht so schwer! Ich habe dich immer noch gern, und ich gebe unsere Freundschaft nicht auf!«
Karen runzelte die Stirn. »Miriam! Hör bitte auf damit. Du kannst mich nicht umstimmen. So nicht, und auf keine andere Art!«
»Du liebst diese Professorin?« fragte Miriam lauernd.
»Es hat gar nichts damit zu tun. Ich liebe dich nicht!«
»Aber ich liebe dich!«
Miriams Starrsinn brachte Karen langsam in Rage.
»Das ist nicht wahr!« Karen lief jetzt im Zimmer auf und ab. Lauter als beabsichtigt warf sie Miriam vor: »Dein Ego ist verletzt. Du kannst es nicht vertragen, dass ich dich verlassen habe. Es passt nicht in deine Vorstellungswelt, und deshalb willst du es nicht akzeptieren.« Karen blieb vor Miriam stehen. »Ich bin die Diskussionen leid, Miriam!«
Plötzlich fühlte Karen sich von Miriam gegriffen. Noch bevor Karen sie abwehren konnte, küsste Miriam sie leidenschaftlich. In diesem Moment wurde die Bürotür geöffnet. Sylvia stand in der Tür.
»Hallo, Karen . . . oh, Entschuldigung.« Sylvia war mehr als verwirrt. Mit bleichem Gesicht ging sie schnell hinaus.
Karen löste sich energisch von Miriam. »Lass das bitte.«
Es war Karen äußerst unangenehm, dass Sylvia Zeuge dieser Szene gewesen war. Was würde sie jetzt denken?
»Miriam, geh jetzt bitte.«
Miriam wollte offenbar widersprechen, doch dann hielt sie sich zurück. »Wie du meinst.« Sie ging zur Tür. Kurz davor drehte sie sich noch einmal zu Karen um und sagte mit anklagender Stimme: »Du gibst mir keine Chance, Karen. Ich hatte wirklich gehofft, wir könnten wieder zusammenkommen. Schade.«
Das war ihr Abgang. Schlicht und ergreifend.
Karen atmete einmal tief durch und öffnete die Tür, um Sylvia hereinzubitten. Doch die war nicht im Vorzimmer. Karen ging zurück in ihr Büro und zum Telefon. Sie wählte die Nummer von Sylvias Handy.
»Mehring«, meldete Sylvia sich.
»Wo stecken Sie denn?«
Kurze Pause.
»Im Café gegenüber. Ich dachte, es könnte bei Ihnen länger dauern.«
Karen stutzte. War das Ironie oder Bitterkeit in Sylvias Stimme? So oder so, Karen wollte den Irrtum erklären.
»Haben Sie Lust, mit mir zu Mittag zu essen?« fragte sie deshalb.
Sylvias Stimme drückte Verwunderung aus. »Sind Sie sicher?«
»Würde ich sonst fragen?«
»Also gut«, kam die zögerliche Antwort.
»Ich komme runter.«
Fünf Minuten später stand Karen vor Sylvia. Sylvia bezahlte ihren Kaffee, und sie fuhren mit Karens Wagen zu einem Restaurant. Es waren nur wenige Gäste im Lokal. Der Kellner führte sie an einen Tisch.
Während der Fahrt hatten sie kaum gesprochen. Als sie jetzt saßen, versuchte Karen zu erklären: »Ich habe mich wirklich von Miriam getrennt. Sie begreift es nur nicht.«
Sylvia tat unbeteiligt. Sie wollte die Enttäuschung nicht zugeben, die sie beim Anblick Karens in Miriams Armen verspürt hatte. Wie eine kalte Dusche hatte sie es empfunden, als sie sah, wie sich die beiden küssten.
»Sie brauchen sich doch vor mir nicht zu rechtfertigen.« Sylvia gelang ein Lächeln. »Sie können Ihre Meinung ja auch geändert haben. So etwas soll es geben.«
Karen sah Sylvia an, als wäre sie schwachsinnig. »Das glauben Sie doch nicht wirklich?!«
»Warum nicht? Miriam wird auch ihre Reize haben, sonst hätten Sie sich ja wohl nicht mit ihr eingelassen.«
»Ich habe meine Meinung aber nicht geändert«, sagte Karen nachdrücklich. »Und das werde ich auch ganz sicher nicht tun. Es war also völlig überflüssig, die Flucht zu ergreifen. Im Gegenteil. Das war ziemlich feige von Ihnen. Sie hätten mir helfen müssen.«
»Die Situation sah nicht so aus, als würden Sie Wert auf Gesellschaft legen oder Hilfe brauchen.« Sylvia grinste schief. »Und da ich Sie, glaube ich, mittlerweile sehr gut kenne, war
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