Unter Verdacht
anderes übrig? Ich konnte ihn schlecht zwingen.«
»Hatten Sie den Eindruck, Drechsler stand unter Druck?«
»Er wirkte eher bedrückt.«
Sachs’ Kopf wackelte hin und her. »Nicht viel, was Sie uns da sagen können. Sehr vage.«
»Verstehe.« Karen erahnte die Gedanken des Beamten. »Sie meinen, wahrscheinlicher ist, dass das Gespräch ganz anders verlaufen ist. Sie denken, Drechsler hat mir, da ich ja laut Ihrer Meinung den Kreditbetrug vorsätzlich begangen habe, gedroht, mich auffliegen zu lassen, hat mich erpresst, so dass ich ihn aus dem Weg haben wollte. Deshalb habe ich mir eine Waffe besorgt, Drechsler aufgelauert und eiskalt abserviert.« Karen schüttelte verärgert den Kopf. »So ist das einleuchtend, und passt auch viel besser in Ihre Theorie«, setzte sie verbissen hinzu.
»Nun mal langsam«, brummte Sachs mürrisch. »Niemand hat Sie beschuldigt. Wir ermitteln lediglich. Und zwar in alle denkbaren Richtungen. Deshalb müssen wir auch Sie fragen, wo Sie in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag von zweiundzwanzig bis null Uhr waren.«
»Wir haben gearbeitet«, sagte Sylvia da aus dem Hintergrund. »Frau Candela hatte einen wichtigen Termin zu halten. Ich habe ihr bei der Arbeit geholfen. Gegen Mitternacht haben wir dann abgebrochen.«
Sachs sah zweifelnd auf Sylvia. »Hm, dann ist das ja geklärt«, murmelte er nur und fuhr fort: »Frau Candela, Sie haben doch sicherlich ein Auto?«
»Ja.«
»Am Tatort, übrigens eine Ihrer Baustellen, wurden verschiedene Reifenspuren sichergestellt. Wären Sie einverstanden, wenn wir die Spuren mit dem Reifenprofil Ihres Wagens vergleichen?«
»Nur zu. Es ist der blaue Lexus direkt vor der Tür. Aber wenn der Tatort eine meiner Baustellen ist, ist es wohl auch nicht außergewöhnlich, wenn Sie Reifenspuren meines Wagens dort finden.«
»Das ist mir bewusst. Die Abdrücke sollen auch nur bei der Rekonstruktion des Falles helfen. Alles, was wir identifizieren können, hilft uns dabei weiter.«
»Verstehe.«
»Dann möchten wir Sie nicht länger aufhalten. Auf Wiedersehen.« Sachs wandte sich zum Gehen. Holzner und Keller folgten ihm. Vor der Tür fragte Sachs seine Kollegen. »Wer ist diese Mehring? Ist sie glaubwürdig?«
Keller sah Holzner an. Der zuckte nur mit den Schultern: »Sie ist Professorin an der Uni, arbeitet hier als Projektberaterin. Warum sollte sie lügen?«
Karen starrte den Dreien hinterher. »Hätte Drechsler doch bloß mit mir gesprochen. Vielleicht hätte ich ihm helfen können.«
»Sein Schweigen hat ihn jedenfalls nicht gerettet«, stellte Sylvia fest.
»Was, wenn Drechsler sich unter dem Druck Endrichs mit Gregor stritt? Dann bin ich mitschuldig an seinem Tod.« Karen konnte ihre Selbstvorwürfe nicht verschweigen.
»Das ist absoluter Unsinn, und das wissen Sie«, widersprach Sylvia rigoros. »Niemand kann sagen, was passiert wäre, wenn Endrich nicht auf Drechsler eingewirkt hätte. Vielleicht genau dasselbe, vielleicht auch nicht.«
Karen sah jetzt ernst zu Sylvia. »Danke für die Hilfe. Aber Ihre falsche Aussage kann Sie in Teufels Küche bringen. Und diesmal steht weit mehr als Ihr Job auf dem Spiel, Sylvia!«
»Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Ich glaube, ich wollte diesem Klotz von einem Beamten einfach das Konzept vermiesen. Seine Arroganz hat mich dermaßen gereizt . . .«
»Nun, ich werde Sie ganz bestimmt nicht verraten. Aber wie erklären wir das meinem Anwalt – Ihrem Vater? Wir müssen sofort mit ihm sprechen.«
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Er wird mir den Kopf abreißen.«
»Ich hoffe doch nicht. Es wäre wirklich schade um ihn«, grinste Karen.
Werner Mehring schüttelte fassungslos den Kopf. »Was hast du dir dabei gedacht?« Er unterbrach Sylvias Versuch zu antworten schon im Ansatz: »Nichts! Du hast dir nichts gedacht. Ist doch klar. Sonst hättest du so etwas nicht gemacht.«
Sylvia schwieg.
»Falschaussage in einem Mordfall. Weißt du, was das heißt? Begünstigung, Mittäterschaft!«
»Aber Karen ist doch nicht die Mörderin«, verteidigte Sylvia sich kleinlaut.
»Entschuldige mal, das steht doch hier gar nicht zur Debatte.« Und an Karen gewandt. »Nehmen Sie es mir nicht übel, natürlich gehe ich davon aus, dass das Vertrauen, welches meine Tochter in Sie setzt, gerechtfertigt ist. Trotzdem«, und jetzt wandte er sich wieder an Sylvia, »hast du auch nur eine Sekunde an die möglichen Konsequenzen gedacht?« Seine Stimme war laut.
Sylvia erwiderte ebenso laut:
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