Unter Verdacht
Handynummer.
»Immer noch die Mailbox«, fluchte er.
Sylvia sah zu Karen. Ihre Blicke trafen sich. Karen, nach wie vor mit kühler Distanz in den Augen, Sylvia voller Sorge.
»Und was ist, wenn du noch einmal die Sprache auf Bachmann bringst?« wandte Sylvia sich an ihren Vater. »Der Richterin schien sein Nichterscheinen auch merkwürdig.«
»Die Staatsanwaltschaft wird berechtigterweise Einspruch erheben, wenn ich dieses Thema erneut behandle. Aber in meinem Schlusswort werde ich darauf zurückkommen.«
»Wie stehen die Chancen?« wollte Karen wissen.
Mehring sah sie ernst an. »Im Moment nicht so gut. Aber keine Angst. Im Falle einer Verurteilung legen wir sofort Berufung ein. Und im Berufungsverfahren haben wir dann die Beweise, die wir brauchen.«
»Was nützt mir das? Bis zur Rehabilitierung wird mein Ruf in der Branche soweit diskreditiert sein, dass ich keinen einzigen Auftrag mehr bekomme. Die meisten meiner Kunden sind jetzt schon, gelinde gesagt, zurückhaltend. Sie warten mit der Auftragsvergabe oder gehen gleich auf Nummer Sicher und wechseln das Architekturbüro. Nach einer Verurteilung werden auch noch die letzten Kunden abspringen.«
Werner Mehring nickte betrübt. »Ja, ich weiß. Es ist fatal.«
»Fatal ist nicht der richtige Ausdruck. Ich würde eher sagen, es ist die Katastrophe schlechthin.«
»Warum die Aufregung«, hörten sie plötzlich jemanden neben sich fragen. Alle drei drehten sich wie verabredet in die Richtung des Fragenden.
»Endrich!« rief Mehring laut und erleichtert. »Mann, das wurde aber auch Zeit!«
Nach der Verhandlungspause konnte Werner Mehring in aller Ruhe seine Trümpfe ausspielen.
»Hier ein Gutachterschreiben, welches die Unterschrift des Depotvertrages mit einer Schriftprobe Frau Candelas vergleicht. Ergebnis: keine Übereinstimmung. Die Staatsanwaltschaft kann natürlich gerne ein eigenes Gutachten erstellen lassen.« Werner Mehring reichte der Richterin triumphierend die Kopie des Vertrages und das Gutachten. »Ich bitte um Aufnahme der Dokumente als Beweismaterial.«
»Antrag angenommen.«
Werner Mehring wandte sich jetzt dem Staatsanwalt zu. »Fassen wir zusammen. Ein zweifelhafter Zeuge und das Aktiendepot als falsche Spur. Beides lässt nur einen Zweck erkennen, nämlich den, meine Mandantin zu belasten. Hinzu kommt, dass die ganze Sache durch einen anonymen Hinweis, der bei der Kripo einging, überhaupt erst ins Rollen kam. Für mich kommt hier nur ein Schluss in Frage: Verschwörung, Komplott, Intrige – wie immer man es bezeichnen will.«
Mehring setzte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er fortfuhr: »Und wir haben auch einen begründeten Verdacht, wer hinter alldem steckt. Wir wendeten uns mit diesem Verdacht an die Behörde, wurden bis dato aber leider konsequent ignoriert.«
»Bitte, teilen Sie mir Ihre Erkenntnisse mit«, forderte die Richterin ihn auf.
»Der stellvertretende Geschäftsführer, Ralf Gregor, dem Frau Candela vertraute, benutzte die Firma ›Candela & Partner‹ zu den Zwecken, die meiner Mandantin vorgeworfen werden. Ich wage die Behauptung, dass der anonyme Hinweis, der die Polizei einschaltete, von niemand anderem als Ralf Gregor selbst kam. Er fühlte sich ertappt, als Frau Candela plötzlich einen Privatdetektiv engagierte, um gewissen Unregelmäßigkeiten in ihrer Firma auf den Grund zu gehen. Er gedachte durch seine anonyme Anzeige, Frau Candela aus der Firma zu eliminieren, die er bereits mit Hilfe des Hauptbuchhalters in den Konkurs lenkte. Nachdem ihm dieser Konkurs gelungen wäre, wollte er sich zurückziehen. Denn diese Nummer hat er nicht zum ersten Mal durchgezogen!« Werner Mehring schlenderte bewusst langsam zu seinem Tisch zurück.
»Ich habe Zeitungsausschnitte, Gerichtsberichte und Fotos von drei weiteren Fällen, die dem meiner Mandantin sehr ähnlich sind. Ich kann beweisen, dass Gregor in den betroffenen Firmen eine verantwortungsvolle Position innehatte, ebenso wie bei ›Candela & Partner‹.« Jetzt zog Mehring das Dossier aus seiner Mappe.
»Herr Staatsanwalt?« wandte sich die Richterin fragend an den Vertreter der Anklage.
Der zuckte nur mit den Schultern. Werner Mehring setzte nun den I-Punkt auf seine Ausführungen: »Das sind wohl sehr eindeutige Fakten. Fakten, welche die Staatsanwaltschaft nicht abtun kann. Diese Fakten sollten genügen, die Anklage gegen Frau Candela fallenzulassen und die Untersuchungen in den hier aufgezeigten Richtungen auszudehnen. Ich übergebe der
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