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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wütend, aber dann rief er mich an und sagte, er wolle sich meinen Eltern vorstellen.
    Über die Heirat hat er zuerst mit meinem Vater gesprochen, noch bevor er mich fragte. »Ich möchte Sie um die Erlaubnis bitten, Yoshiko als meine Verlobte zu betrachten.« Ich war sehr verliebt in ihn, aber das ärgerte mich doch ein bisschen.
    Wir heirateten im Juni des nächsten Jahres. Da im Februar meine Mutter gestorben war, hatten wir wegen der Trauerzeit mit der Hochzeit so lange gewartet, denn ich wollte ein richtiges Hochzeitskleid tragen.
    Nach der Hochzeit wohnten wir zusammen mit meinem Vater in Yokohama. Wir wollten ihn nicht allein lassen … Das war der Vorschlag meines Mannes. Für ihn bedeutete das jedoch, dass er täglich zwischen Yokohama und Oji pendeln musste, hin und zurück je zwei Stunden. Er ging jeden Morgen um sechs Uhr aus dem Haus. Ich bekam dauernd Streit mit meinem Vater, und mein Mann musste schlichten. Das war sicher nicht leicht für ihn. Damals kam er meist erst gegen elf oder zwölf völlig abgeschafft nach Hause.
    Wir lebten zehn Monate mit meinem Vater zusammen, dann zogen wir im April in eine firmeneigene Wohnung von Japan Tobacco nach Kita-Senju. Nun war ich diejenige, die anderthalb Stunden in überfüllten Bahnen zur Arbeit nach Yokohama fuhr. Nach einem Jahr wurde mir das zu viel, und ich wollte aufhören. Meine Mann sagte: »Warum sollst du dich schinden? Mach einfach, was du willst!«
    Also wurde ich Hausfrau. Ich bin froh, dass ich auf die Weise wenigstens ein Jahr für meinen Mann da sein konnte. Außerdem hat man als Hausfrau drei Mahlzeiten am Tag plus Mittagsschlaf ( lacht ) und kann schon morgens fernsehen. Bis dahin hatte ich nie tagsüber ferngesehen. Das gefiel mir am Anfang sehr gut. Und im Juli wurde ich schwanger.
    Es war angenehm, in Kita-Senju zu wohnen. Unsere Wohnung war groß, und um den Bahnhof herum gibt es ein schönes Einkaufsviertel. Freundinnen hatte ich auch. Nur dass manche Männer in langen Unterhosen auf der Straße herumliefen, erstaunte mich ein bisschen ( lacht ). Das tut in Yokohama keiner.
    Im November 1994 wurde mein Mann nach Shinagawa [näher bei Yokohama] in die Zentrale seiner Firma versetzt. Dann musste er beim Bau der neuen Hauptstelle in Toranomon [im Zentrum von Tokyo] mitarbeiten, die im April 1995 fertig werden sollte. Seine Aufgabe als Elektrotechniker war es, die Installation von Aufzügen, Beleuchtung und Klimaanlagen zu überwachen. So etwas machte ihm eigentlich auch mehr Spaß als Büroarbeit.
    Wenn er nach Hause kam, trank er ein Bier und erzählte mir von seiner Arbeit und seinen Kollegen. Das fand ich immer sehr interessant und unterhaltsam.
    Mein Mann machte gerne Scherze, aber wenn es um seine Arbeit ging, konnte er von einem Augenblick auf den anderen ernst werden und sich konzentrieren. Ich fühlte mich bei ihm sehr geborgen.
    Wir wünschten uns beide Kinder. Ich wollte drei, wahrscheinlich weil ich selbst ein Einzelkind bin, und war überglücklich, als ich schwanger wurde. Wir entschieden uns ziemlich bald für den Namen Asuka, den ich übrigens geträumt habe. In diesem Traum rannte ich hinter einem kleinen Mädchen her und rief seinen Namen. Ich habe mich selbst nicht daran erinnert, aber mein Mann hat gehört, wie ich »Asuka! Asuka!« gerufen habe.
    Wir haben uns fast nie gestritten, auch wenn ich während der Schwangerschaft manchmal gereizt war. Ich meckerte wegen Kleinigkeiten, aber er konnte gut damit umgehen. Meist lachte er nur. Er war wirklich ein gütiger Mensch, und er schien immer gütiger zu werden.
    Wenn er von der Arbeit nach Hause kam und ich nichts gekocht hatte, wurde er nie sauer. »Macht nichts«, sagte er nur. »Wir holen uns was.« Er ließ sich sogar von seinen Kollegen Ernährungstipps für Schwangere geben. Er kümmerte sich rührend um mich. In der Zeit, in der mir morgens oft schlecht wurde und ich nur Sandwiches und Grapefruit-Gelee essen konnte, brachte er diese Sachen immer auf dem Heimweg für mich mit.
    An dem Sonntag vor dem 20. März sind wir sogar zusammen einkaufen gegangen. Normalerweise tat er das nie.
    Am Freitag hatte er sich frei genommen. Ich glaube, er war ziemlich erschöpft. Er war morgens aufgestanden und hatte gesagt: »Ach, ich hab heute gar keine Lust, zur Arbeit zu gehen.« Und weil ich ihn natürlich gerne bei mir zu Hause haben wollte, überredete ich ihn: »Ruf doch an und sag, dass du nicht kommst. Deiner Frau sei schlecht oder so.« Er hat dann den ganzen Freitag

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