Untergrundkrieg
wegen eines Unfalls in einen Stau. Ich war um zehn nach zehn in Kita-Senju aufgebrochen und kam erst um halb zwölf auf dem Revier an. Im Taxi hörte ich den Namen meines Mannes, als die Namen der ums Leben Gekommenen im Radio durchgesagt wurden. »Das ist mein Mann. Er ist tot …« sagte ich. »Soll ich das Radio ausmachen?« fragte der Fahrer. »Nein, lassen Sie es an. Ich muss wissen, was los ist«, sagte ich.
Die Stunde im Taxi war eine Qual. Mein Herz klopfte so sehr, dass ich dachte, es würde mir aus dem Mund springen. Was sollte ich machen, wenn jetzt die Wehen einsetzten? Andererseits dachte ich auch, dass ich es ja erst sicher wüsste, wenn ich seine Leiche sähe. Bis dahin wollte ich es nicht glauben. Es konnte sich immer noch um eine Verwechslung handeln. Warum sollte ausgerechnet mein Mann sterben müssen? All diese Gedanken rasten mir durch den Kopf. Ich wollte erst weinen, wenn ich mir ganz sicher war. Die ganze Zeit über machte ich mir noch Hoffnungen.
Seine Leiche wurde gerade untersucht, sodass ich sie erst um halb zwei identifizieren konnte. Bis dahin wartete ich auf dem Polizeirevier. Die Telefone klingelten ununterbrochen, und alle rannten wie verrückt durcheinander. Es herrschte ein unglaubliches Chaos. Der Chef meines Mannes und ein Polizeibeamter erklärten mir, dass er ein Gift eingeatmet habe, an dem er gestorben sei, obwohl zu dem Zeitpunkt die Einzelheiten noch unklar waren.
Ich rief meinen Vater an. »Bitte komm sofort.« Als ich ihn sah, brach ich in Tränen aus. Die Eltern meines Mannes sind Landwirte. Bei schönem Wetter arbeiten sie immer draußen, und ich konnte sie zuerst nicht erreichen. Ich hatte den Chef meines Mannes gebeten, es zu versuchen, aber es hob niemand ab. Ich sehnte mich danach, meine Schwiegermutter so schnell wie möglich zu sehen. Unablässig fragte ich mich: »Was mache ich bloß hier?« Auf die Erklärungen des Inspektors antwortete ich nur einsilbig.
Schließlich sah ich meinen Mann in einem Raum im Erdgeschoß. Im ersten Stock des Reviers waren die Diensträume, im Erdgeschoss die Leichen. Es war ein ziemlich kleiner Raum, nicht mehr als zwei Tatami groß. Dort lag er, mit einem weißen Tuch bedeckt. Unter dem Tuch war er ganz nackt. Sie sagten mir, ich solle ihn nicht berühren, weil etwas an ihm haftete, das meine Haut durchdringen könnte. Aber da hatte ich ihn schon berührt. Er war noch warm. Anscheinend hatte er sich die Lippen blutig gebissen. Auch an seiner Nase und seinen Ohren klebte verkrustetes Blut. Die Augen waren geschlossen, und sein Gesicht sah nicht gequält aus. Aber die blutigen Wunden an seinen Lippen, sie deuteten doch auf große Schmerzen hin …
Ich durfte nicht lange bleiben, es sei »gefährlich«. Ich war nur etwa eine Minute bei ihm, oder nicht einmal eine Minute. »Warum ist er gestorben? Warum hat er mich allein gelassen?« fragte ich und brach weinend zusammen.
Der Leichnam wurde gegen halb fünf in die gerichtsmedizinische Abteilung der Todai-Universität gebracht. Mein Vater versuchte, mir Mut zu machen, mich zu trösten, aber seine Worte kamen gar nicht bei mir an. Ich konnte an nichts anderes denken als daran, was nun aus mir werden sollte.
Am nächsten Tag nahm ich in der Universität Abschied von ihm. Auch dabei durfte ich ihn nicht berühren und meine Schwiegermutter, die inzwischen aus Nagano eingetroffen war, auch nicht. Wir durften ihn nur anschauen. Ich fand es so traurig, ihn die ganze Nacht an so einem einsamen Ort zu lassen. Da wäre ja das Polizeirevier noch besser gewesen. Seine Eltern waren gleich gekommen, aber die Polizei hat ihnen nicht einmal Eijis Leichnam gezeigt. Ich fand das sehr herzlos.
Der ältere Bruder meines Mannes brachte ihn mit dem Wagen nach Nagano. Meine Schwiegereltern, sein Onkel, mein Vater und ich fuhren mit dem Zug. Ich weinte die ganze Fahrt über, weil ich ständig daran denken musste, was für ein lieber Mensch mein Mann gewesen war. Ich versuchte zwar, mich zusammenzureißen, aber es ging nicht. Nur die Beerdigung musste ich noch überstehen, sonst war mir alles egal. Meine Schwiegereltern bemühten sich so sehr, die Fassung zu bewahren, also wollte ich das auch tun. Es heißt ja auch: Buddha freut sich nicht, wenn er Tränen sieht. Aber ich konnte einfach nicht …
Das Baby bewegte sich in mir. Immer wenn ich weinte, wälzte es sich herum. Nach der Beerdigung senkte sich mein Bauch immer mehr. Alle machten sich Sorgen um mich, denn ein starker Schock löst häufig eine
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