Untergrundkrieg
von ihrer Schwester gehört.
Auch die Polizei benachrichtigte uns. Die Zentrale hatte die hiesige Polizei beauftragt, uns auf der Stelle Bescheid zu geben. Meine Frau war noch am Telefon, da kam schon der Polizeiwagen in den Hof gefahren.
Mutter : Ich wollte nicht, dass mein Mann es zu plötzlich erfährt und vielleicht umkippt, also ging ich zu den Apfelbäumen und sagte, er solle doch mal mitkommen. Ich brachte ihn bis in den Hausflur und sagte es ihm.
Wir fuhren zu viert nach Tokyo – mein Mann, ich, unser Ältester und der Mann meiner Schwester, der Eiji geraten hatte, sich bei Japan Tobacco zu bewerben. Wir kamen um fünf Uhr nachmittags dort an. Es war noch hell. Ein Angestellter von JT holte uns ab und brachte uns im Taxi zum Polizeihauptrevier. Auf der ganzen Fahrt sprach niemand ein Wort. Es herrschte Totenstille. Wir saßen stumm im Wagen und stiegen aus, als man uns darum bat.
Mittlerweile war die Leiche gar nicht mehr bei der Polizei, sondern in die gerichtsmedizinische Abteilung der Universität Tokyo gebracht worden, also konnte wir unseren Jungen an dem Tag gar nicht mehr sehen. Wir übernachteten in einem Gästehaus seiner Firma. In dieser Nacht habe ich kein Auge zugetan. Am nächsten Morgen um neun fuhren wir in die Universitätsklinik und durften ihn endlich sehen. Ohne mir etwas dabei zu denken, berührte ich Eiji, und sie schimpften mit mir.
Ich hatte nicht gewusst, dass ich ihn nicht anfassen durfte. Außerdem musste ich es einfach tun. Offenbar hat Yoshiko ihn auch angefasst, und sie hatten es ihr verboten. Aber eine Mutter muss ihr totes Kind doch berühren und fühlen, dass es kalt ist, bevor sie überhaupt wahrhaben kann, dass sie zu spät gekommen ist. Nichts anderes hätte mich überzeugen können.
Alles in meinem Kopf war wie ausgelöscht. Ich konnte überhaupt nichts verstehen. Aber ich riss mich zusammen, um nicht zu weinen. Ich war wie ein Automat, nur mein Körper funktionierte. Wir mussten ihn beerdigen, um ihn zu Buddha zu schicken. Wenn man so eine Leere im Kopf hat, muss man gar nicht weinen. Es kamen mir nicht einmal Tränen.
Es war seltsam, aber ich dachte nur daran, was auf den Reisfeldern noch alles zu tun war. Zwei Kinder … zwei Enkelkinder unterwegs, den Reis setzen, alles Mögliche tun. Ich war in meinen Gedanken ganz bei den Reisfeldern, als die Journalisten kamen.
Vater : Ich habe denen gar keine Antwort gegeben. Sie waren so unverschämt, dass ich sogar richtig wütend wurde. Sie verfolgten uns bis zum Krematorium. Sogar in der Klinik, in der das Baby geboren wurde, schossen sie ihre Fotos. Ich bat sie immer wieder, uns doch in Ruhe zu lassen, aber es nützte überhaupt nichts. Sie haben sich sogar bei unseren Nachbarn aufgedrängt. »Sie wollen mit uns reden, Herr Wada, was sollen wir machen?«, haben die Nachbarn mich gefragt. Ich bat sie, überhaupt nichts zu sagen.
Ich habe nur ein einziges Mal etwas gesagt. Ich saß gerade auf dem Traktor, und so ein Reporter hielt mir ein Mikrofon unter die Nase. »Ich will, dass die Mörder ohne jeden Aufschub zum Tode verurteilt werden. Die japanische Gesetzgebung muss geändert werden. Mehr habe ich nicht zu sagen. Gehen Sie jetzt bitte nach Hause.« Danach ließ ich mich auf nichts mehr ein und fuhr aufs Feld. Die Fernsehleute stellten genau vor unserem Haus eine Kamera auf, um mich abzupassen, wenn ich nach Hause kam. Deshalb fuhr ich mit meinem Moped von hinten ans Haus und ging durch die Hintertür hinein. Damals haben uns die Reporter regelrecht die Türen eingerannt. Sagten, sie schrieben für Zeitschriften und was weiß ich alles.
Dass der Reis gesetzt werden musste, war eigentlich das, was mich aufrecht hielt. Aber danach bin ich einfach zusammengeklappt. Mir ging so vieles durch den Kopf. Meine Gedanken führten zu keinem Ende. Alles Grübeln half nichts, dadurch wurde unser Sohn auch nicht wieder lebendig. Ich musste mich ermahnen, dass ich nicht ewig darüber nachdenken konnte. Aber vergessen kann ich auch nicht; sooft ich daran denke, brodelt es in mir.
Ich bin nicht gerade ein Trinker, aber ich genehmige mir schon gern mal ein Fläschchen Sake. Immer wenn Eiji nach Hause kam, haben wir zu dritt etwas getrunken, der Vater und seine Söhne. Dieser Sake hat mir immer am besten geschmeckt. Beim Sake haben wir so viel geredet. An einem Abend haben wir dann fast zwei Liter weggeputzt. Wir verstehen uns gut in der Familie. Es gab nie Streit.
Mutter : Er war ein lieber Junge. Von seinem ersten Gehalt hat
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