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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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geschlafen. Am Samstag hatte er einen Termin und musste deshalb am Nachmittag kurz in die Firma. Am Sonntag sind wir dann zusammen einkaufen gegangen. Weil es morgens sowieso regnete, schliefen wir bis um die Mittagszeit. Als der Regen aufhörte, schlug ich den Einkaufsbummel vor, und er war sogar einverstanden.
    Wir kauften Babysachen und Windeln. Mein Bauch war schon sehr dick, und das Gehen fiel mir schwer, aber etwas Bewegung war ja gut für mich. Danach wollte er Pachinko spielen gehen, und ich ließ ihn auch, obwohl ich sonst immer darüber gemeckert habe. Als er gegen sieben oder halb acht zurückkam, aßen wir zu Abend. Am nächsten Tag wollte er wieder zur Arbeit gehen, denn bis zum 1. April musste ja alles fertig sein, und das lag ihm auf der Seele. Außerdem sollte jemand an dem Montag seine Einstandsparty geben, und darauf freute er sich schon.
    Zur Baustelle in Toranomon fuhr er immer mit der Hibiya-Linie bis Kasumigaseki. Meist stand er um sieben auf und ging um halb acht aus dem Haus. Ich bin an dem Tag sogar schon um halb sechs aufgestanden. Normalerweise machte ich meinem Mann ja nie Frühstück, aber am Abend davor hatte er mich darum gebeten. »Kannst du mich morgen mal ein bisschen verwöhnen und mir Frühstück machen?« Also stand ich früher auf, denn er hatte mich ja am Sonntag auch verwöhnt.
    Mit dem dicken Bauch fühlte ich mich morgens oft schlapp. Mein Mann war glücklicherweise auch kein Morgenmensch und legte keinen besonderen Wert auf Frühstück. Meist war er gleich nach dem Aufstehen schon aus der Tür. Er aß dann unterwegs einen Happen. Aber an dem Morgen stand ich auf und machte ihm Kaffee, Spiegeleier, Toast und Würstchen. Er freute sich so sehr, dass er rief: »Oh, Frühstück!«
    Vielleicht hatte er eine Vorahnung. Er hat mich nicht nur gebeten, ihm ausnahmsweise Frühstück zu machen, sondern sagte auch ganz unvermittelt, dass ich es alleine schaffen müsse, wenn er einmal nicht hier sei. Erschrocken fragte ich, wie er auf so etwas käme, und er erklärte mir, dass in der neuen Zentrale ein neues Schichtsystem eingeführt würde. Dann müsse er zwei Nächte am Arbeitsplatz übernachten, bekäme aber dafür drei Tage frei. Er machte sich Sorgen, ob ich allein zurechtkommen würde. »Wenn das Baby krank ist und ich nicht da bin, musst du alles alleine machen.«
    Andererseits freuten wir uns, dass er die drei Tage frei bekommen und damit mehr Zeit für das Baby haben würde. Außerdem wollte er noch den Führerschein machen.
    Jedenfalls verließ er gegen halb acht das Haus. Soweit ich weiß, hat er vom Bahnhof Kita-Senju aus die Hibiya-Bahn um 7.37 genommen. Ich hatte ihn zur Tür gebracht, das Geschirr abgeräumt und ein Nickerchen gemacht. Dann sah ich fern. Plötzlich erschienen laufende Untertitel, die besagten, dass in Tsukiji an der Hibiya-Linie dies und jenes passiert sei. Ich machte mir keine Sorgen, denn ich war der Überzeugung, er sei mit der Marunouchi-Linie gefahren.
    Um halb zehn bekam ich einen Anruf von seiner Firma. »Ihr Mann ist offenbar bei diesem Anschlag verletzt worden.« Zehn Minuten später: »Er wurde ins Nakajima-Krankenhaus eingeliefert. Wir faxen Ihnen die Einzelheiten. Bitte, setzen Sie sich mit dem Krankenhaus in Verbindung.« Als ich dort anrief, herrschte totale Verwirrung. »Wir wissen im Augenblick nicht, wer sich wo befindet«, hieß es, dann wurde aufgelegt. Also mußte ich wohl oder übel auf ihren Anruf warten.
    Der kam kurz vor zehn. »Kommen Sie bitte so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Es sieht schlecht aus.« Ich machte mich gerade bereit, das Haus zu verlassen, als das Telefon wieder klingelte. »Ihr Mann ist gerade verstorben.« Ich glaube, es war sein Chef. »Bleiben Sie ganz ruhig, Frau Wada«, sagte er. Ich sagte einer Nachbarin Bescheid, dass mein Mann Opfer des Anschlags geworden sei und ich ausgehen müsse.
    Aus dem Haus zu gehen, war kein Problem, aber ich wusste gar nicht richtig, wohin ich wollte und welche Bahn ich nehmen mußte. Die Hibiya- und die Marunouchi-Linie waren eingestellt. Ich ging an den Taxistand am Bahnhof, aber da standen schon fünfzig Leute Schlange. Ich rannte zu einem Taxiunternehmen in unserer Nähe, aber alle Wagen waren unterwegs. Zum Glück entdeckte der Mann von der Zentrale am Bahnübergang ein leeres Taxi, das ich nehmen konnte.
    Inzwischen hatte man die Leiche meines Mannes aus dem Krankenhaus ins Polizeihauptrevier nach Nihombashi gebracht. Also fuhr ich dorthin, aber unterwegs gerieten wir

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