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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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er mir eine Uhr gekauft. Und wenn er auf Besuch kam, hat er den Kindern jedes Mal etwas mitgebracht. Auch von seinen Geschäftsreisen nach Amerika und Kanada hat er uns Geschenke mitgebracht.
    Er hat sogar Sachen für Asuka gekauft, obwohl sie noch gar nicht auf der Welt war. Als Yoshiko uns vor kurzem mit ihr besucht hat, hat Asuka etwas angehabt, das Eiji in Amerika für sie gekauft hatte. So sehr hat er sich auf sein Kind gefreut. So sehr … und dann sind diese Idioten gekommen und haben ihn umgebracht. Es ist so furchtbar traurig.

    Vater : Warum hat die Präfekturpolizei von Nagano nach dem Anschlag in Matsumoto nur nicht gründlicher ermittelt? Dann wäre das alles nicht passiert. Davon bin ich überzeugt. Wenn sie damals nur entschlossener vorgegangen wären.

    Mutter : Aber seine Frau und sein Baby sind gesund. Yoshiko hat uns so eine schöne Enkelin geboren. Das versuche ich mir immer vor Augen zu halten. Wenn ich hier bis in alle Ewigkeit heulend herumgesessen hätte, wäre ich ihr ja nach der Geburt auch keine Hilfe gewesen. Also habe ich mich zusammengerissen und es bisher auch geschafft.

    Vater : Wir müssen unsere Felder bestellen, wie wir es immer getan haben. Wenn die Reissetzlinge so weit sind, müssen wir sie pflanzen. Ist das erledigt, müssen wir die Apfelknospen pflücken. Danach muss bestäubt werden … Die Arbeit nimmt kein Ende und ist so anstrengend, dass man schläft wie ein Stein. Wir Bauern haben keine Zeit für Neurosen und brauchen keine Beruhigungspillen.

»Mein Mann war ein so gütiger Mensch«
Yoshiko Wada (31), Ehefrau des verstorbenen Eiji Wada
    Frau Wada war schwanger, als ihr Mann starb. Kurze Zeit später kam ihre Tochter Asuka auf die Welt. Viele kennen Frau Wada, denn nach dem Anschlag zerrten die Medien sie ins Rampenlicht. Vor unserer Begegnung hatte ich alle Artikel durchgeschaut, die in den Zeitungen und Zeitschriften über sie erschienen waren. Der Unterschied zwischen dem Bild, das ich mir gemacht hatte, und der Wirklichkeit war bemerkenswert. Natürlich hatte ich mir dieses Bild zusammengebastelt, und niemand konnte etwas dafür, dennoch gab mir der Einfluss der Medien in diesem Zusammenhang sehr zu denken. Sie haben die Macht, willkürlich ein Bild von einem Menschen zu erzeugen.
    Die echte Yoshiko Wada ist (im Gegensatz zur Projektion der Medien) eine fröhliche und kluge junge Frau, die sich sehr gut ausdrücken kann. Mit klug meine ich, dass sie kluge Entscheidungen für ihr Leben getroffen hat und ihre Worte klug wählt. Sie ist ein Mensch ohne Hintergedanken. Natürlich habe ich den verstorbenen Herrn Wada nicht gekannt, aber der Mann, der sie zur Frau genommen hat, muss einfach ein anständiger Mensch gewesen sein.
    Der unerwartete Tod ihres Mannes war ein furchtbarer Schock für sie. Wahrscheinlich kann sich ein Mensch von so etwas nie wieder ganz erholen. Dennoch verlor Frau Wada während unseres langen, dreistündigen Gesprächs nicht ein einziges Mal die Fassung. Alle meine Fragen beantwortete sie ganz offen und ohne Vorbehalte. Nur einmal gegen Ende des Interviews stiegen ihr Tränen in die Augen. Es tut mir leid, dass ich ihr so viel zugemutet habe.
    Sie holte mich mit Asuka auf dem Arm am Bahnhof ab und begleitete mich auch wieder zurück. Es war ein heißer Sommertag, die Straßen waren wie ausgestorben. Hier draußen im Freien wirkte sie wie eine ganz normale, glückliche junge Ehefrau aus der Vorstadt. Ich hätte Yoshiko Wada zum Abschied gerne einige besondere Worte mit auf den Weg gegeben, aber etwas Besseres als »Leben Sie glücklich und bleiben Sie gesund« fiel mir nicht ein. Ich empfand diese Worte im Nachhinein als kraftlos, und als Schriftsteller habe ich schließlich nichts anderes zu geben als Worte.

    Ich bin in Kanagawa geboren, aber wir sind schon, als ich in der Grundschule war, nach Yokohama gezogen. Ich habe dort die Schule besucht und später gearbeitet. Ich bin ein echtes Yokohama-Mädchen und liebe diese Stadt sehr. Im letzten Jahr habe ich nach der Geburt meiner Tochter längere Zeit bei meinen Schwiegereltern in Nagano verbracht. Die Luftveränderung und die Abwechslung haben mir sehr gut getan, aber als ich wieder hier ankam, habe ich vor Freude geweint.
    Alle meine Freunde leben in Yokohama. Meine Mitschüler, Kollegen, Bekannte, mit denen ich Ski fahre, wir kennen uns alle schon seit zehn Jahren … Meine Freunde haben mir sehr geholfen. Alle sind inzwischen verheiratet. Manchmal grillen wir zusammen oder gehen zum

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