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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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»Wenn wir weiter auf den Rettungswagen warten, sind wir verloren.« Also beschlossen wir, Autos anzuhalten und die Fahrer um Hilfe zu bitten.
    Die Ampel wurde rot, und wir sprangen auf die Straße. Wir wandten uns hauptsächlich an die Fahrer von Kleinbussen, denn sie konnten fünf oder sechs Personen aufnehmen. Alle erklärten sich bereit, Verletzte aufzunehmen, nachdem sie die Lage verstanden hatten.
    Etwa eine Stunde lang half ich Leuten, die sich nach oben geschleppt hatten, in die Wagen zu steigen. Wir arbeiteten Hand in Hand, indem die einen die Autos anhielten und die anderen die Verletzten trugen. Ich gehörte zu den Trägern. »Bitte, bringen Sie sie ins St. Lukas-Krankenhaus«, sagten wir den Fahrern, denn das war das nächstgelegene größere Krankenhaus.
    Ungefähr eine halbe Stunde später traf ein einziger Krankenwagen ein. Er kam von weit her, denn alle anderen waren in Tsukiji im Einsatz. Nachdem die Schwerverletzten von Privatfahrzeugen aufgenommen worden waren und diejenigen, die noch gehen konnten, sich selber Taxis gerufen hatten, kam ein einziger Krankenwagen!
    Ich fuhr auch mit dem Taxi ins Krankenhaus. Ich war mit so vielen Verletzten in Berührung gekommen, dass ich am Ende selbst Vergiftungserscheinungen hatte. Der Hauptgrund dafür war jedoch, dass ich noch einmal auf den Bahnsteig gegangen bin. Ein Bahnbeamter hatte um Hilfe für einen verletzten Kollegen gebeten. Also bin ich mit ein paar anderen noch mal runter und habe dabei Sarin eingeatmet, denn es hatte sich schon überall ausgebreitet …
    Der verletzte Beamte schwankte und murmelte: »Nein, nein, ich muss hierbleiben« oder so was. »Das geht nicht, zu gefährlich«, sagten wir ihm. Er war wieder bei Bewusstsein, aber er konnte jederzeit wieder umfallen. Trotzdem jammerte er immer wieder, er müsse bleiben, sodass wir ihn fast wegzerren mussten.
    Murakami: Hatten Sie keine Angst, auf den Bahnsteig zurückzugehen?
    Nein, wir waren schon zu verzweifelt. Ob ich Angst hatte oder nicht, habe ich nicht wahrgenommen. Wir wussten nur, dass wir helfen mussten. Es gab kaum noch jemanden, der sich auf den Beinen halten konnte. Man konnte sich nicht drücken. Ich erinnere mich, unten so etwas wie den Geruch von Farbverdünner wahrgenommen zu haben. Und dass ich mich über die Dunkelheit wunderte. Natürlich waren meine Pupillen schon verengt.
    Irgendwann hatten wir alle Verletzten herausgebracht und konnten aufatmen. Als ich mir ein Taxi ins Büro nehmen wollte, fühlte ich mich auf einmal schlecht. Ich hatte Kopfschmerzen, mir war übel, und meine Augen juckten. Die anderen rieten mir, doch lieber ins Krankenhaus zu fahren.
    Wir nahmen uns zu dritt ein Taxi. Ein Mann aus Nagoya oder Osaka, der auf Geschäftsreise war, schimpfte: »Warum muss das ausgerechnet heute passieren, wo ich hier bin.« Ich saß vorne. Den beiden Männern hinten war ziemlich schwindlig, und wir machten alle Fenster auf. Die Straßen waren verstopft. Tsukiji war abgesperrt, und wir konnten keine Nebenstraßen nehmen. Also mussten wir die Harumi-Allee runterfahren, die vollkommen zu war.
    Im Krankenhaus untersuchten sie meine Augen und hängten mich sofort an den Tropf. Es sah aus wie in einem Lazarett. Die Gänge standen voller Liegen mit Leuten, die Infusionen bekamen. Ich bekam zwei Infusionen, und weil meine Symptome nicht sehr stark waren, fuhr ich danach nach Hause. Der Arzt fragte mich noch, ob ich nicht lieber bleiben wolle. Aber ich war so aufgeregt, als wäre ich gerade aus dem Krieg zurückgekehrt, sodass ich nichts spürte, auch keine Erschöpfung oder Schwäche.
    Aber zu Hause bekam ich unheimliche Augenschmerzen. Eine Woche lang konnte ich kaum schlafen. Auch bei geschlossenen Augen hatte ich die ganze Nacht Schmerzen … das war ziemlich schlimm.
    Als ich mich im Krankenhaus noch einmal untersuchen ließ, sagte man mir, mein Cholinesterase-Wert sei viel zu niedrig, eine Auswirkung von Sarin. Das hätten sie mir gleich sagen sollen. Die Symptome waren ja von dem Anschlag in Matsumoto her bekannt und die Untersuchungsmethoden auch. Dabei ist St. Lukas ein gutes Krankenhaus. Viele Krankenhäuser waren sehr viel schlechter ausgerüstet.
    Die Untersuchungen ergaben, dass meine Nierentätigkeit gefährlich eingeschränkt war. Ich war nicht der Einzige, andere hatten die gleichen Symptome. Es hat etwas mit dem Alkohol zu tun, der bei der Verdünnung von Sarin verwendet wird. Und weil die Nieren »stumme Organe« sind, merkt man selbst nichts davon. Es tut nicht

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