Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
haben sich mir nicht geboten ( lacht ).
    In letzter Zeit geht das Geschäft nicht mehr so gut. Alle haben auf Computer umgestellt, und es besteht kaum noch Bedarf an Büchern für die Buchhaltung oder Registratur.
    Früher schrieben die Büroangestellten alles Seite für Seite mit der Hand. Aber jetzt drücken sie einfach eine Taste, und alles Gewünschte wird ausgedruckt. Man braucht es nur noch abzureißen, in einen Umschlag zu stecken und weg damit. Deshalb gibt es natürlich keine Nachfrage nach Rechnungsformularen und Lieferscheinen mehr. Und aller Voraussicht nach wird es noch schlimmer.
    Im Augenblick sind wir noch zu acht im Betrieb. Früher waren wir fünfundzwanzig.
    Wenn ich um halb sechs aufstehe, gieße ich als Erstes meine Bonsai. Noch bevor ich selbst etwas trinke, bekommen sie ihr Wasser. Im Winter reicht es, sie einmal alle drei Tage zu gießen, im Sommer muss es jeden Tag sein. Weil ich achtzig Stück habe, dauert das ziemlich lange, mindestens eine halbe Stunde. Dann frühstücke ich, ziehe mich an und gehe zu Fuß zur Haltestelle Matsubara Danchi, um die Bahn um 7.17 zu nehmen. Ausgerechnet am 20. März bin ich bestimmter Umstände wegen mit einer späteren Bahn gefahren.
    Es ist nämlich so, dass ich außer den Bonsai noch ein weiteres Hobby habe. Ich angle. Meist nehme ich mir nach einer Angeltour auch noch den nächsten Tag frei. Kennen Sie sich mit dem Angeln aus?
    Murakami: Nein, überhaupt nicht.
    Also, zum Angeln braucht man einiges an Ausrüstung. Hohe Gummistiefel, Angelruten, eben alles Mögliche, und es ginge mir sehr gegen den Strich, wenn ich die Sachen nicht selbst wieder in Ordnung bringen und an ihren Platz räumen könnte. So ist es eben. Deshalb nehme ich mir immer noch den nächsten Tag frei.
    Meist fahren meine Freunde und ich samstagabends von Kawaguchi bis Niigata hinauf. Dann schlafen wir die ganze Nacht nicht. Sobald der Morgen graut, geht es los mit dem Angeln, und vor ein Uhr mittags machen wir nicht Schluss. Wir fangen stromabwärts an und arbeiten uns stromaufwärts vor. Dann gehen wir wieder stromabwärts und fahren zurück. Wenn auf der Autobahn viel Verkehr ist, komme ich vor neun oder zehn am Sonntagabend nicht nach Hause. Also nehme ich mir noch den Montag frei. Am Wochenende vom 18./19. März waren wir am Daimon-Fluss in Nagano, ein Stückchen unterhalb vom Shirakaba-See. Am Sonntag war ich gegen acht Uhr wieder zu Hause.
    Weil an dem Montag darauf so viel zu tun war, hatte ich keinen Urlaub nehmen können. Also habe ich mein Angelzeug erst mal provisorisch weggepackt und war deshalb zehn Minuten später dran als sonst. Ich hatte nicht verschlafen, ich verschlafe nie.
    In Takenozuka steige ich in die erste Bahn der Hibiya-Linie um. Ich könnte auch in Kita-Senju umsteigen, aber da ist es so furchtbar voll. Vor sieben oder acht Jahren ist mir dort mal die Brille kaputtgegangen. Sie ist mir beim Umsteigen einfach zerquetscht worden. Seither vermeide ich es, in Kita-Senju umzusteigen. Im ersten Zug ab Takenozuka habe ich sowieso bessere Chancen, einen Sitzplatz zu bekommen. Dann lese ich in einem Buch über Bonsai oder in einer Zeitschrift.
    Aber an dem Tag nahm ich eine spätere Bahn. Ich saß in der zweiten Sitzreihe auf der rechten Seite, in der Nähe der mittleren Tür des dritten Wagens von vorne. Danach hat mich die Polizei mehrmals gefragt, deshalb weiß ich das noch so genau. Das vergesse ich im ganzen Leben nicht mehr ( lacht ).
    Damals druckten wir gerade Etiketten für eine pharmazeutische Firma, für ein AIDS -Medikament. Es waren zweifarbige Etiketten, die bis zum 25. März geliefert werden sollten. Das hieß, wenn wir am 22. nicht in Druck gehen konnten, war der Termin nicht einzuhalten. Also musste ich am 20. unbedingt die Druckplatten fertig machen und konnte mir nicht frei nehmen.
    Mitten auf der Strecke – ich glaube, kurz vor Akihabara – hielt der Zug auf einmal. Wegen eines Unfalls in Tsukiji, hieß es über Lautsprecher. Allerdings hielt der Zug nicht lange, sodass kein Grund zur Beunruhigung bestand. So was kommt ja öfter vor. Einmal hielten wir noch zwischen Akihabara und Kodemmacho an, wieder gab es eine Durchsage. In Tsukiji habe es eine Gasexplosion gegeben. Zweimal sagten sie das. Gemurmel ging durch den Zug.
    Fünf oder sechs Minuten später, ich weiß es nicht mehr, fuhren wir in Kodemmacho ein. Auf einmal schrie draußen eine Frau. Mit schriller Stimme, wie ein Papagei. Ich glaube zumindest, dass es eine Frau war. »Was ist jetzt

Weitere Kostenlose Bücher