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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Halleluja! All das war im Netz zu lesen, und wenn es morgen die Papierzeitungen auch so druckten, war sie mit ihrem Projekt auf der Zielgeraden. Die Äbtissin lächelte nochmals ein dünnes, kaltes Lächeln. Jetzt konnte sie getrost aus diesem Nest mit den durchgeknallten Lederhosenträgern verschwinden. Diese Provinzermittler, diese alpenländischen Louis-de-Funès-Verschnitte waren noch unfähiger, als sie angenommen hatte. Das waren einfach keine echten Gegner. Aber die Hauptsache war: Der Plan war perfekt gewesen – fast perfekt, aber nach der kleinen Korrektur mit Ganshagel war der Plan aufgegangen!

    Sie stand auf, um sich im Wasser etwas abzukühlen und ein paar Runden zu schwimmen. Sie konnte es sich nicht verkneifen, auf das Dreimeterbrett zu steigen und herunterzuspringen. Sie ersparte sich den zweieinhalbfachen Auerbachsalto mit drei Schrauben gehechtet (Schwierigkeitsgrad 3,9), der einmal ihre Spezialität gewesen war. Sie hielt sich vielmehr die Nase mit Daumen und Zeigefinger zu und sprang mit den Füßen voraus ins Wasser. Sie versuchte, es so ungeschickt wie möglich wirken zu lassen. Sie schwamm entspannt. Sie war einmal eine international erfolgreiche Kunstspringerin gewesen. Dann kamen die vierten Plätze, die siebten und die siebenundzwanzigsten – und irgendwann stand ein Mann im Maßanzug und mit Lederköfferchen vor der Tür, aber es war niemand vom IOC. Er machte ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte. Das war lange her. Bis heute hatte sie einen gefährlichen und aufregenden Beruf ausgeübt. Sie war die Beste ihrer Branche geworden. Aber jetzt wollte sie aussteigen. Der Plan dazu war perfekt – und es hatte noch besser geklappt, als sie gedacht hatte. Pierre, der Franzose, einer der gerissensten Profikiller der Szene, oder Wassili, der Russe, der den zwanzigfach abgeschirmten Oligarchen Nikolai Tischtschenko ausgeschaltet hatte – sie alle verbreiteten die Nachricht jetzt auf der dunklen Seite der Welt. Von der hellen Seite, von der Polizei, hatte sie ohnehin nichts zu befürchten. Die helle Seite war einfach zu schwach. Sie stieg aus dem Wasser. Am Uferrand lungerten ein paar Männer herum, ein paar junge Burschen und ein ergrauter Stenz.
    »Volle Arschbombe, Fräulein, oder?«, sagte der Stenz. »Vorher am Dreimeterbrett.«
    Alle rundherum lachten. Der Stenz war der Scheuchzer Schorsch, der Dorfgigolo, der für seine gelungenen Anmachsprüche bekannt war.

    Die Äbtissin ging zu ihrem Liegeplatz und trocknete sich ab. Sie hatte sich schon öfter in einem Freibad versteckt. Offenbar kam kein Polizist auf die Idee, in einem Freibad zu suchen. Und man konnte sich durch die Badekleidung in einen vollkommen anderen Menschen verwandeln. Das Kainzenbad im Kurort war noch aus anderen Gründen geeignet, sich zurückzuziehen. Es war weitläufig, von allen Seiten zugänglich, und vor allem befand sich das Krankenhaus gleich in unmittelbarer Nähe. Direkt vor dem Kainzenbad befand sich der großflächige Parkplatz des Klinikums. Besser konnte sie es nicht treffen. Jeden Tag starteten vier bis fünf Hubschrauber, und sie hatte den Weg zum Aufenthaltsraum der Hubschrauberpiloten schon ausgekundschaftet. Aber so weit war es noch nicht. Sie wollte den Kurort erst abends verlassen. Das war die beste Zeit. Auch mussten noch ein paar Sachen erledigt werden. Sie hatte vor, das Notebook von allem überflüssigen Material zu säubern. Hinter einem undurchdringlichen Kennwort, so etwas wie 5Ffqıe9krı69ııyı fand sich eine Audiodatei. Es waren erst vier Tage vergangen, seit sie dieses Gespräch aufgezeichnet hatte. Der Äbtissin klangen die Worte noch im Ohr:

    »Sie machen es also? Für zwanzigtausend?«
    »Sie wollen es kurz und schmerzlos haben?«
    »Ja, kurz und schmerzlos. Peter soll nicht leiden. Ich will ihn nur nicht mehr sehen.«

    Diesen Dialog brauchte sie nicht mehr in ihrem neuen Leben, mit ihrer neuen Identität. Der Fall Schultheiss war abgeschlossen. Endgültig abgeschlossen. Markieren und doppelklicken. Wollen Sie diese Audiodatei wirklich löschen? Ja, will ich. Und klick – in den Papierkorb. Papierkorb löschen. Wollen Sie das wirklich? Ja. Das musste fürs Erste genügen. Später würde sie die Gelegenheit finden, die Festplatte zu vernichten. Heute war Donnerstag, und erst vergangenen Sonntagabend hatte Marlene vor ihr auf der Massagebank gelegen. Sie hatte sich durchkneten und über ihren Mann ausfragen lassen. Nachdem Marlene das Fitness-Studio verlassen hatte, war sie

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