Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
ihr gefolgt und hatte sich vergewissert, dass Frau Schultheiss mit niemandem Kontakt aufnahm und ohne Umwege ins Hotel ging. Dann hatte sie Peter Schultheiss angerufen.
»Es geht um Ihre Frau.«
»Was ist mit ihr?«
Total desinteressierte Stimme. Typ: Jammerlappen, völlig aufgerieben von dieser Ehe. Erfolglos in allen Lebensbereichen. Genau der Richtige für ihr Vorhaben.
»Ihre Frau hat mir gerade den Auftrag gegeben, Sie zu töten.«
Schweigen in der Leitung. Ein gutes Zeichen. Er hielt es also nicht für ganz unmöglich.
»Ich glaube Ihnen nicht.«
Er hielt es ganz bestimmt für möglich.
»Sie war gerade bei mir. Ich habe einen Bandmitschnitt von dem Gespräch. Wollen Sie ihn hören?«
Langes Schweigen. Atmen. Seufzen. Schließlich:
»Ja.«
Nach dem Anhören des Bandmitschnitts wieder langes Schweigen. Schluchzen. Heulte dieser Typ jetzt etwa? Schließlich sagte er:
»Aber weshalb rufen Sie mich an? Warum warnen Sie mich?«
»Ich mache Ihnen ein Angebot. Wir müssen uns treffen. Jetzt.«
Peter Schultheiss, der Jammerlappen, der Versager, der freiberufliche Unglücksrabe. Alles lief nach Plan. Er war weich wie Butter. Sie hatte keine Mühe, ihn davon zu überzeugen, dass er nun an der Reihe war zurückzuschlagen. Auf diese Gelegenheit hatte die Äbtissin schon lange gewartet. Sie traf Peter Schultheiss eine halbe Stunde später im Massageraum des Fitness-Studios, wo sie vor kurzem auch schon Marlene durchgeknetet hatte.
»Scht!«, hatte die bewährte Flüsterstimme wieder gefaucht, und auch der Zangengriff im Genick war ein probates Mittel, Gespräche in bestimmte Richtungen zu lenken. »Bloß, dass wir uns richtig verstehen. Machen Sie keinen Unsinn, Herr Schultheiss.«
»Ja, schon gut«, sagte er eingeschüchtert. »Kann ich Ihnen vertrauen? Wie kann ich sicher sein, dass Sie meiner Frau nichts sagen? Oder dass Sie nicht von der Polizei sind?«
»Wenn Sie hernach heimkommen, ist Ihre Frau schon verschwunden. Für immer. Das wird die Polizei nicht für Sie machen.«
»Sie werden sie kurz und schmerzlos töten?«
»Ja. Das ist meine Spezialität.«
»Haben Sie sie schon getötet?«
»Nein, ich töte sie nur, wenn Sie das wirklich wollen.«
Auch dieses Gespräch hatte sie mitgeschnitten, und auch diese Audiodatei löschte sie jetzt. Wirklich löschen? Ja, wirklich, idiotischer Blechdepp. Peter Schultheiss konnte ihr nicht mehr gefährlich werden. Den hatte sie so eingeschüchtert, der würde sein Lebtag nie etwas sagen.
»Hallo, Fräulein! Nichts für ungut, gell.«
Der Scheuchzer Schorsch stand neben ihrem Badetuch. Der Scheuchzer Schorsch, der für die besten Anmachsprüche im ganzen Werdenfelser Land bekannt war, warf einen Schatten auf sie.
»Ja, verdammt nochmal«, sagte die Äbtissin schroff und deutete auf ihr Notebook. »Sie sehen doch, dass ich beim Lesen bin.«
Der Scheuchzer Schorsch lachte.
»Gell, seit es die E-Books gibt, weiß man nicht mehr: Schaut sich einer Pornoseiten an, oder liest er Goethe? Man sieht es den Leuten nicht an.«
»Verschwinden Sie«, sagte die Äbtissin.
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und cremte sich ein. Eines war ganz klar: Sie hatte großes Glück gehabt. Es hätte jederzeit passieren können, dass Peter oder auch Marlene Schultheiss kalte Füße bekommen hätten und aus dem Vorhaben ausgestiegen wären. Zu jedem Zeitpunkt. Aber selbst dann hätte das für sie keinerlei Risiko bedeutet. Dann wäre sie eben wieder ins anonyme Nichts verschwunden, hätte das Wochenseminar auf der Wolzmüller-Alm als ganz normale Teilnehmerin besucht, hätte ein bisschen etwas über Optographie, DNA-Spuren und Projektmanagement erfahren – und hätte lediglich ein verwirrtes Ehepaar zurückgelassen, an dessen widersprüchlicher Geschichte die Polizei verzweifelt wäre. Aber es war nicht so gekommen. Sie hatte Glück gehabt. Ohne ein Quäntchen ging es eben nicht. Beide Schultheisse waren wild entschlossen gewesen, den anderen loszuwerden. So hatte sie am nächsten Morgen Marlene eine schriftliche Botschaft ins Hotel geschickt. Es war die Anweisung, sich um 6.41 Uhr in den Zug zu setzen und in diesen alpenländischen Kurort zu fahren. Sie selbst war in einem anderen Waggon gesessen. Dann war sie im Kurort ausgestiegen, hatte Marlene Schultheiss herzlich begrüßt, hatte sich als freundliche Alibi-Beschafferin vorgestellt. Und die Äbtissin hatte gewusst: Wenn eine Ehefrau so weit fährt und den Entschluss, ihren Gatten ermorden zu lassen, noch immer nicht
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