Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Worte!
Wir haben beide zugeschlagen, am Dienstag, droben auf der Alm, genau fünf vor sieben, beim leisen Anläuten der barocken Kirchenglocken. Nach vollbrachter Tat wurde ich sofort weggepackt. Ich wurde in eine durchsichtige Plastiktüte gesteckt, dadurch hatte ich einen guten Blick auf den Tatort. Ich saß sozusagen in der ersten Reihe. Dann hat der Schatten (wie ich jetzt weiß: die Äbtissin) eine grünschimmernde Box aus dem Rucksack gezogen, so eine Frischhalteschüssel, wie man sie für eine zünftige Bergbrotzeit verwendet. 750 ml, ampelgrün, Patentverschluss, 9,99 Euro. Ich dachte: Das gibts doch gar nicht! Will der Schrecken der Wolzmüller-Alm jetzt ganz gemütlich Brotzeit machen? Mit gekochten Eiern und Schwarzbrot rumbröseln und dabei die DNA pfundweise verschleudern? Aber nein, natürlich nicht. In der Tupperschüssel lauerten keine deftigen Landjäger und geschmierten Stullen, sondern dieses rotschimmernde Krabbelzeugs. Die Äbtissin schüttete die Käfer auf den Boden, und Hunderte von höchst lebendigen und beweglichen Landjägern in purpurroten Wämsen machten sich beherzt an die Arbeit. Sie bedeckten in Kürze das von mir so blutig zerschmetterte Gesicht des Opfers, und das war auch gut so, denn der Anblick der demolierten Nase war schrecklich anzuschauen. Sie hat noch gelebt. Ihr zermanschter Mund versuchte zu schreien, ihre eingedrückte Nase schnappte hilflos nach Luft, ihre zu Brei geschlagenen Augen schienen hilfesuchende Blicke auszuschicken. Selbst für einen stahlharten Typen wie mich war das kaum mit anzusehen, das können Sie mir glauben!
Hier im Gartenschuppen ist alles ruhig. Ich lehne unauffällig an der Wand. Der Miesmachermann ist schon sehr früh zur Arbeit gefahren, die Ehebrecherin telefoniert, wahrscheinlich mit dem Anderen. Die verbeamteten Mittelstandsnachbarn wiederum, die sitzen in ihrem forsythienverpesteten Garten und spielen, ganz klassisch, Mensch ärgere dich nicht. Sie haben den ganzen Nachmittag verspießert. Ich will ja nicht den großen Psychologen raushängen lassen, aber das sind nun einmal genau die Typen, die davon träumen, eine fetzige Pokerpartie nach der anderen runterzureißen, mit viel billigem Whiskey, Zigarettenstummel im Mundwinkel, bis morgens früh um halb sechs, halbnackt, Einsatz nur Hunderter.
Aber ich darf mich nicht ablenken lassen. Ich muss hellwach sein. Ich muss mich sauber und blank halten. Ich spüre, dass ich bald wieder zum Einsatz kommen werde. Die Ehebruchsfrau ist nämlich vorhin runtergekommen ins Gartenhäuschen, sie hat mir zugezwinkert. Ich habe zurückgeblitzt. Das Einverständnis ist da. Ich glaube, da spielt sich bald etwas Großes und Gewalttätiges ab. Aber dann hat sie den Blick über die anderen Gartengeräte schweifen lassen. Ja, die Konkurrenz ist in der Tat groß, gerade hier in diesem Schuppen. Eine rostige Heckenschere. Mehrere Streudosen Rattengift. Eine Megapackung Blaukorn. Eine Rolle Stacheldraht. Ein spitz zugeschnittener Holzpflock. (Ich kann mich auch täuschen, aber hat die Frau nicht einen rumänischen Akzent?) Ein halber Sack Zement, extra schnell härtend. Ein schwerer Eisenschlägel mit rutschfestem Holzgriff. Ein Eispickel Marke Trotzki. Und und und.
Wenn Ihnen meine Überlegungen pervers und abgeschmackt erscheinen, dann sollten Sie mich trotzdem nicht in Bausch und Bogen verdammen. Denn ich bin mir ganz sicher, dass es da draußen in Ihrer Welt viele gibt, die einen wie mich dringend brauchen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann ist der Augenblick, den man sich nicht vorstellen konnte, gekommen. Vor allem, wenn man verheiratet ist. Und dann sollte man vorbereitet sein. Der spontane und gedankenlose Griff zum erstbesten Glas Rattengift ist selten eine gute Wahl. Es ist besser für alle Beteiligten, wenn man auch in dieser heiklen Situation etwas qualitativ Hochwertiges zur Hand hat. Zum Beispiel einen Klappspaten der Marke Gartenfreund.
50
mondlicht … party …
und im unterholz kriecht ein durstiger wurm
in eines der weggeworfenen wermutfläschchen
Noch ’n Haiku
Auf der weitläufigen Sportwiese des Kainzenbads versank die goldene Sonne langsam hinter einem straff gespannten Volleyballnetz. Wie spät war es? Die Äbtissin blickte auf die Uhr. In einer halben Stunde wollte sie den Abflug machen, im übertragenen wie im wahren Sinn des Wortes. Sie ging noch einmal Punkt für Punkt ihres Plans durch. Sie hatte vor, sich im nahe gelegenen Klinikum in einen der vielen
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