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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Stunden müssten wir soweit sein. Bei Tagesanbruch, frühestens um sechs Uhr morgens rufen Sie die Polizei.«
    »Doch, eines werden Sie noch tun«, knurrte Wassili. »Sie räumen den Medienraum auf, Sie vernichten dort alle Unterlagen, Sie beseitigen überhaupt alles Geschriebene. Haben Sie mich verstanden, Freundchen? Der Polizei gegenüber behaupten Sie, das würden Sie bei jedem Seminar so machen. Industriespionage und so.«

    Kurz darauf flammten im Gästetrakt einige Lichter auf, sie wurden alle augenblicklich wieder gelöscht. Ganshagel hatte ein chaotisches Geschrei und Tohuwabohu erwartet, aber der Rückzug ging fast lautlos vonstatten, darüber hinaus rasend schnell. Es schien fast so, als hätten die Seminarteilnehmer das schon öfters geprobt. Ein Licht blitzte neben ihm auf, zwei Scheinwerferkegel tanzten hin zu dem Baum mit der Frau mit dem Schlapphut. Die Lichter fuhren die Zirbe hoch und wieder herunter, sie irrten in der Umgebung des Baums umher, dann sprangen sie die steile Almwiese hinauf, wurden immer kleiner und verschwanden schließlich in der Dunkelheit. Schwere Schritte hasteten an Ganshagel vorbei, er hörte keuchendes Atmen und leise, zwischen den Lippen hervorgepresste Zurufe, fast schon Kommandos. Es war eine Dreier- oder Vierergruppe, die in die andere Richtung, bergabwärts, verschwand, er konnte erkennen, dass die Frau mit der Meckifrisur dabei war. Ganshagel erschrak: Sie trug eine Waffe! Es war eine halbautomatische Pistole, die sie im Laufen lud. Instinktiv trat Ganshagel hinter einen Mauervorsprung und ging in die Knie. Bei diesem explosionsartigen Rückzug wollte er nicht im Wege stehen. In der Ferne startete ein Motorrad und fuhr davon. Ein zweites heulte auf und folgte ihm. Wo um alles in der Welt waren denn diese Motorräder versteckt gewesen? Und Ganshagel hatte geglaubt, er überblickte sein Terrain. Im Laufschritt huschte eine kleine Gestalt vorbei – war es der Asiate? Ja, er hatte sein Notebook unter den Arm geklemmt. Ganshagel hörte ein Knacksen in der Nähe, er verharrte regungslos in gebückter Haltung.
    »Ce n’est pas possible!«
    Er lauschte angestrengt. Sein Französisch war nicht so gut wie sein Englisch, aber er filetierte trotzdem ein paar Ausdrücke heraus.
    »Es muss einer von uns gewesen sein.«
    »Wir sollten schleunigst von hier verschwinden.«
    Es waren der Franzose und der Amerikaner. Sie unterhielten sich flüsternd weiter. Und ein Begriff tauchte immer wieder auf: L’abbesse . Die Äbtissin.

    »Sie haben doch einen Jeep?«
    Ohne dass Ganshagel etwas gehört hätte, war Wassili Wassiljewitsch wieder neben ihm aufgetaucht. Er packte ihn am Hemdkragen und zog ihn hoch.
    »Ja, natürlich habe ich einen Jeep«, sagte Ganshagel hastig und fingerte dienstbeflissen nach seinem Autoschlüssel.
    »Setzen Sie den Wagen auf die Rechnung. Sie sehen ihn vielleicht nicht wieder.«
    »Jedenfalls nicht in dem Zustand, in dem du ihn kennst, Ganshagel.«
    Dieser Satz war irgendwo aus der tiefschwarzen Nacht gekommen, der zweite Sprecher jedoch war in der Dunkelheit geblieben. Ganshagel hatte die Stimme noch nie gehört. Oder vielleicht doch? Der österreichische Akzent war jedenfalls unverkennbar. Es musste einer der Referenten sein, die nicht hier auf der Alm übernachteten. So etwas kam öfters vor – sie tauchten morgens auf, hielten ihr Referat und verschwanden dann wieder.
    »Ja, natürlich, nehmen Sie den Jeep«, sagte er. »Wenn ich Ihnen damit weiterhelfen kann.«
    »Danke, servus und baba«, sagte der Österreicher.
    Der Russe schnappte sich den Schlüssel, dann waren beide weg. Ruhe breitete sich aus. Keine knackenden Äste mehr, keine Taschenlampenkegel. Keine Motorräder, keine halbautomatischen Waffen. Der Spuk war vorüber. Die Stille war umso beängstigender. Wieder arbeitete etwas in Ganshagels Hirn. Was hatte er gestern zu der Frau gesagt, nachdem er sie angerempelt hatte? Und was hatte sie erwidert? Die Erinnerung war in dem Wust von Gedanken, die ihm jetzt durch den Kopf gingen, nicht mehr aufzutreiben.

    Es war inzwischen vier Uhr morgens geworden. Ganshagel war in die Hütte mit dem großartig ausgestatteten Medienraum gegangen und hatte dort das Licht angeschaltet. Er wollte, wie ihm aufgetragen worden war, alle Spuren beseitigen. Auf dem Whiteboard stand immer noch das Wort OPTOGRAPHIE. Er wischte es sorgfältig ab. Optographie war das Thema des Vortrags gestern Nachmittag gewesen. Ein kleiner, schmächtiger Typ hatte ihn gehalten. Er

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