Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Benno nur einen Arm hatte.
Der Bürgermeister stieg ins Auto.
»Fährst mit?«, sagte er zu Constantin Rohrmus.
»Nein, ich habe noch was zu tun.
»Dann raam raam «, sagte der Bürgermeister.
»Raam raam? Was heißt jetzt das schon wieder?«
»So etwas wie servus, bloß auf Indisch halt.«
29
Untelhorz.
Beliebter Witz asiatischer Comedians
Die Anstrengungen führten beide an die Grenze ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit. Ihre Handgelenke brannten wie Feuer, ihre Bauchmuskeln waren bretthart von den vielen Versuchen, so etwas wie einen Felgaufzug hinzubekommen. Ostler machte darüber hinaus noch ein weiteres Problem zu schaffen. Durch die ungewohnte und einseitige Belastung der Beine bekam er Muskelkrämpfe, die bei den Zehen begannen und in den Oberschenkeln endeten. Auch er hatte inzwischen schon ein Dutzend Mal versucht, das Handy am Boden mit den Füßen zu fassen und bis zu den Händen über dem Kopf zu befördern. Er hatte schon alles versucht, um dem Krampf Einhalt zu gebieten. Doch lange konnte es nicht mehr dauern, bis er vollkommen eingesponnen war in ein peitschendes Muskelflattern, das keine Bewegung mehr zuließ. Auch er hatte kein Glück mit dem Handy. Es fiel immer wieder zu Boden, und sie hofften jedes Mal, dass es nicht außer Reichweite fiel. Ob es überhaupt noch funktionierte? Ostler zweifelte langsam daran.
»Glauben Sie, dass der Tunesier noch in der Nähe ist?«, fragte Nicole, als sie eine Pause bei ihren Klimmzügen einlegten. Ostler wollte gerade antworten, als sie beide entsetzt genau diese eine wohlbekannte Stimme hörten.
»Ja, er ist durchaus noch in der Nähe.«
Der Tunesier trat in ihr Sichtfeld. Hatte er ihren verzweifelten und ergebnislosen Bemühungen zugesehen? Jedenfalls warf er keinen einzigen Blick auf das im Gras liegende Handy. Dafür musterte er sie von Kopf bis Fuß.
»Und er hat eine Frage, der Tunesier. Chokri Gammoudi wünscht, dass Sie diese Frage wahrheitsgetreu beantworten.«
Wie um dem letzten Satz gefährliches Gewicht zu geben, holte er langsam seine Pistole heraus, hob sie urplötzlich und zielte in ihre Richtung, erst auf Ostlers Brust, dann auf seine Knie.
»Was wollen Sie wissen?«, rief Ostler.
»Ich will etwas über den Bürgermeister wissen. Der Bürgermeister Ihres Ortes – wie ist sein Name?«
Nicole und Ostler blickten verständnislos. Diese Frage hatten sie nicht erwartet. Andererseits: Den Namen des Bürgermeisters konnte man überall erfahren. Ostler nannte ihm den Namen.
»Wo wohnt er privat?«
»Keine Ahnung –«
Der Tunesier richtete die Waffe auf Nicoles Kopf. Ostler sah keine andere Möglichkeit. Hastig nannte er die Straße, die den Namen eines schönen Gebirgszugs trug. Noch hastiger fügte er die Hausnummer hinzu. Der Tunesier nickte. So schnell, wie er gekommen war, verschwand er wieder.
»Ich halte das nicht mehr aus«, stöhnte Ostler nach einiger Zeit. »Der Krampf macht mich fertig. Ich kann nicht mehr gegen ihn ankämpfen.«
Mit einem Wadenkrampf ist es wie mit der Höhenangst und der Eifersucht. Man versteht das nicht, wenn man nicht selbst darunter leidet.
»Sie werden dagegen ankämpfen. Denken Sie an was anderes«, sagte Nicole. »Erzählen Sie mir eine Geschichte. Ich probiere es inzwischen nochmal mit dem Handy. Erzählen Sie die Geschichte laut und deutlich, wie wenn Sie zwanzig Kinder als Zuhörer hätten. Alter Trick beim Langstreckenlauf. Wenn man spürt, dass ein Krampf im Anzug ist, erzählt man laut eine Geschichte.«
»Was für eine Geschichte?«
»Egal, irgendeine!«
»Sie haben Nerven!«
»Los jetzt, Ostler, stellen Sie sich nicht so an!«
Nicole feuerte Ostler und sich gleichzeitig an. Sie kam mit den Füßen nicht weiter hoch. Sie musste sich jetzt mit dem Hintern am Gestänge abstoßen, sie musste diesen Schwung ausnützen, um mit den Füßen zu den Händen zu kommen. Sie konzentrierte sich wie ein Gewichtheber, während Ostler irgendetwas vor sich hin brabbelte.
Nicole stieß sich ab. Sie schnellte hoch. Das war ihr letzter Versuch. Sie hatte den Felgaufzug schon zu oft gemacht. Sie wusste, dass sie keine Kraft mehr haben würde, es erneut zu probieren. Sie musste es jetzt schaffen.
30
»Überm Unterholz gehts weiter …«
Udo Lindenberg
Das Feld rund um den Klettergarten gehörte dem Wasinger-Bauern, und der fünfjährige Ägidius war sein hoffnungsvoller Spross. In der Mitte des Feldes stand ein schönes grünsilbriges Polizeiauto, und der Ägidius strich vorsichtig um das
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