Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Draußen fuhr ein Riesenschlitten auf den Parkplatz, ein sauber polierter, glänzender BMW ohne irgendeine Schramme. So eine gepflegte Karosse konnte nur einem Einzigen gehören.
»So, Bürgermeister, sind im Rathaus die Erfrischungsgetränke ausgegangen?«
»Für was zahlen wir denn deinen Chauffeur, wennst dann doch selber fährst?«
Der Bürgermeister war mit Constantin Rohrmus hereingekommen, er war höchstpersönlich gefahren, der Kämmerer war auf dem Beifahrersitz gesessen, ein aufgeklapptes Notebook auf dem Schoß. Manchmal nahm er Kontakt zum Volk auf, der Bürgermeister. Hier im Absturz schien ein repräsentativer Mikrokosmos des Volkes zu gedeihen, da fühlte er sich wohl.
»Was sind das für Leute gewesen, da droben auf der Wolzmüller-Alm? Sag schon, Bürgermeister!«
Der Bürgermeister hatte diese Frage erwartet. Und er hatte eine knallharte Antwort vorbereitet.
»Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.«
Entwaffnende Ehrlichkeit. Medienschulung. Das saß.
»Leute von dir?«
»Leute von mir auf keinen Fall! Leute von mir würden im Ort bleiben, sie würden sich der Verantwortung stellen, sie würden der Polizei bei ihrer schweren und aufopferungsvollen Arbeit helfen.«
Lange Jahre im diplomatischen Dienst. Menschenkenntnis. Tiefes Verständnis für die Probleme der Bevölkerung.
»Aber du musst doch was wissen, Bürgermeister, du bist doch dauernd droben!«
»Was, ich? So ein Unsinn! Ich habe ein paar Veranstaltungen gemacht, mehr nicht.«
»Mit deine Inder!«
Maria und Hölleisen wurden hellhörig. Maria hatte beide Mitglieder der Obrigkeit im Blick. Auf einmal wirkte der Bürgermeister reichlich nervös.
»Was für Inder? Ach so, die! Ja freilich, einmal war eine indische Delegation da. Das war ein Gewusel! Die wollten eine Riesenhochzeit da veranstalten. Mit zweitausend Leuten. Stellt euch das einmal vor!«
»Und was ist aus der indischen Hochzeit geworden?«
»Warum reitest du denn jetzt dauernd auf den Indern herum! Die werden schon wiederkommen. Und dann bringen sie jedenfalls einen Haufen Geld ins Loisachtal!«
Nervös blickte der Bürgermeister zu seinem Kämmerer Rohrmus. Doch das Volk schonte ihn nicht.
»Und wo sind die dann jetzt?«, fragte der Hotelier Ohnkeusch. »Ich habe jedenfalls noch keine Buchungen aus Bombay.«
»Herrschaftszeiten, seid doch nicht so ungeduldig. Außerdem heißt das jetzt Mumbai«, erwiderte der Bürgermeister. »Ich kann es eben noch nicht sagen. Und wenn noch mehr so Sachen wie auf der Wolzmüller-Alm passieren, dann kommen sie gar nicht mehr.«
»Den ganzen Kopf weggefressen«, lallte der Jagenteufel Nikolaus und stürzte noch einen weiteren Obstler hinunter. »Spinnst du: den ganzen Kopf weggefressen!«
»Tja, ich muss dann«, sagte Constantin Rohrmus und drückte sich durch die Menge zur Eingangstür.
»Ah, da schau her! Da kommen die Richtigen!«
Das Ehepaar Grasegger betrat den Schnapsladen. Nach ihrem täglichen Melderitual im Polizeirevier gingen sie oft noch auf einen Absacker hierher. Als der Bürgermeister die beiden sah, zuckte er zusammen. Das waren die Einzigen, die ihm politisch gefährlich werden konnten. Er hatte im Ort eine gefestigte Stellung. In der Opposition gab es keine ernstzunehmenden Konkurrenten. Niemand hatte große Lust, freiwillig in seine Fußstapfen zu treten. Doch er hatte es schon hie und da als Gerücht vernommen: Wenn die Graseggers sich als Bürgermeisterkandidaten aufstellen ließen – die würde man wählen. Aber die wollten auch nicht. Bisher noch nicht. Aber wenn sie eines Tages vielleicht doch einmal wollten, hätte er keine Chance gegen die Sympathieträger, das wusste er. Er musste unbedingt in der Gemeindeordnung nachsehen. Konnten verurteilte Straftäter überhaupt an einer Wahl teilnehmen? Und konnte ein Ehepaar zusammen den Bürgermeisterposten besetzen?
»So, seid ihr auch einmal wieder da«, sagte der Bürgermeister. »Das ist ja schön.«
»Ja, das ist schön«, antwortete Ursel.
Die Tür wurde krachend aufgestoßen. Ein Mann, der aussah, als wäre er die letzten hundert Meter unter elf Sekunden gelaufen, stolperte herein.
»Droben in Wamberg! Droben in Wamberg!«
»Was ist droben in Wamberg? Red schon!«
»Da hat es eine Schießerei gegeben.«
»Wo?«
»Mitten auf der Straße. Mit mehreren Toten.«
Hölleisen und Maria Schmalfuß stürmten aus der Trinkstube und sprangen ins Auto. Mehr bekamen sie nicht mit. Zum Beispiel die wahre und endgültig wahre Geschichte, warum der Flury
Weitere Kostenlose Bücher