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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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blauer Livree warf einen Fünfziger auf die Theke der Ambulanzrezeption.
    »Für die Kaffeekasse.«
    Die Notärzte lachten und bereiteten alles für eine Wiederbelebung vor.

    Bestechlich vorgezogene Organtransplantation? Illegaler Handel mit inneren Organen? Noch Schlimmeres? Die drei Undercoverpolizisten beschlossen, der Sache nachzugehen, wenn dieser Fall hier vorbei war.

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Andererseits heißt es auch:
Wer im Reisfeld lebt, soll nicht mit Paellas werfen.
Spanisches Sprichwort
    Der nächste Morgen begann gut für Rainer Ganshagel. Durch das halbgeöffnete Fenster drang liebliches Gezwitscher herein. Er konnte das ratternde Trrrrt-t-t der Sperbergrasmücke vom tscheckernden Tsche-tsche-tsche des Alpenbirkenzeisigs durchaus unterscheiden. Er lauschte eine Weile, er versuchte auch, den zarten Balzschrei des Zilpzalps ( Zilp-zalp-zelp-zilp-zalp ) zu erwidern, nur so aus Gaudi natürlich. Dann aber kamen die Erinnerungen an die dramatischen Ereignisse des gestrigen Tags wieder zurück. Das Bild dieser verfluchten Damenhandtasche tauchte vor Ganshagel auf. Er hatte sie vorgestern den ganzen Nachmittag über nicht am Tresen stehen sehen, aber irgendwann musste sie wohl dort hingestellt worden sein. Bloß wann? Er hatte nicht darauf geachtet. Es wurmte ihn sehr, dass er trotz aller geschärften Sinne das Wesentliche an diesem Fall nicht mitbekommen hatte. Weder die Episode mit Luisa-Maria vor dem kleinen Einkaufsladen in der Wettersteinstraße (die Erinnerung daran wurde immer unschärfer) noch die Sache mit der Handtasche. Irgendetwas stimmte mit dieser Tasche nicht! Aber er wusste nicht, was. Nochmals von vorn. Er hatte die Leiche der Frau um Mitternacht entdeckt. Dann hatte er sofort die Graseggers angerufen und war zur Rezeption gegangen. Dort hatte er die Tasche auf dem Tresen bemerkt, der Personalausweis war deutlich sichtbar in eine Seitentasche gesteckt worden. Zu deutlich? Zu offensichtlich? Aber warum? Den Ausweis hatte er an sich genommen. So hatte er die Geschichte auch der Polizei erzählt, nur um ein paar Stunden nach vorne versetzt und in umgekehrter Reihenfolge.

    Tschak-tschak! , so klang es von draußen. Das war der Steinschmätzer, leicht zu verwechseln mit der Blaumerle (Tschak-tschak-uip!) , die sich in diesen Gefilden ebenfalls wohlfühlte. Das Getöne des Steinschmätzers war sein Signal, aufzustehen, so empfand es Ganshagel wenigstens. Er sprang aus dem Bett, kleidete sich an und setzte Teewasser auf. Ganshagel hatte dieses kleine Häuschen am Rande des Kurorts gemietet, es war sozusagen seine Stadtwohnung. Einen riesigen Gastronomiekühlschrank hatte er gekauft, um Lebensmittel wie zum Beispiel seine Sauren Knödel zwischenzulagern. Manchmal übernachtete er auch hier unten, meistens dann, wenn die Seminarteilnehmer droben unter sich sein wollten. Momentan war er ganz und gar unerwünscht auf der Alm, die lästigen Spurensicherer breiteten sich aus wie Schimmelpilze, sie stellten alles auf den Kopf und brachten alles durcheinander. Wochen könne es noch dauern, hatte es geheißen. Jennerwein hatte ihn getröstet: In wenigen Tagen bekäme er seine Alm wieder zurück, sauber in Plastiktütchen verpackt. Das Teewasser plodderte im Kessel, über der Küchenanrichte waren Ansichtskarten aus aller Welt gepinnt, von Gästen, die sich bei ihm für die schöne Betreuung bedankt hatten. Manche Seminarteilnehmer hatten sich nicht gescheut, etwas Persönliches zu schicken. Vom Knollennasigen zum Beispiel prangte ein Kärtchen aus feinstem Büttenpapier an der Wand, hergestellt in der päpstlichen Druckerei Tipografia Vaticana, mit den handschriftlichen Zeilen:

    »Verehrtester Bruder Ganshagel,
    gerade musste ich an Sie denken. Ich komme von einer Klausur mit ein paar Kardinälen. Ich habe jeden von ihnen gefragt, ob sie sich denn schon eine balkongeeignete Antrittsrede für den Fall der Fälle überlegt hätten. Die Antwort der Eminenzen war erstaunlich. Mehr beim nächsten Treffen bei Ihnen hoch droben auf der Alm –
    Mit pontifikalen Grüßen –«

    Ob es überhaupt ein nächstes Treffen geben würde? Konnte Kommissar Jennerwein ihm einen Strick daraus drehen, dass er die Anmeldungen so lasch gehandhabt hatte? Ganshagel verließ das Haus, um die örtliche Tageszeitung vom Laden um die Ecke zu holen. Wieder zurück, nahm er einen Schluck von seinem Beifußtee und überflog die Seiten des Blatts. Das Passbild der toten Frau war abgebildet, Tausende starrten es jetzt beim Frühstücksei an, und tausend

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