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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Einer der Polizisten hat meine Spur verfolgt. Ich habe ihn von einem Hügel aus beobachtet. Er und zwei seiner Kollegen haben in der Natur wie in einem aufgeschlagenen Buch gelesen.«
    »Du bist nicht bewaffnet?«
    »Doch, natürlich. Ich habe mein Päckchen draußen im Garten vergraben.«
    »Dürfen wir dir etwas wohlschmeckenden Tee anbieten?«
    »Gerne.«
    Die drei Inder verhielten sich freundlich und schenkten Tee aus. Trotzdem blieben sie misstrauisch, denn auf ihre Frage, was er denn über den Tod der Äbtissin wüsste, hatte er seltsam ausweichend geantwortet. Nach dem Tee begaben sich alle vier zur Bettruhe. In die Stille hinein fragte Chokri Gammoudi:
    »Hat einer von euch zufällig einen Tennisball?«

    Nur ein paar Kilometer entfernt, am anderen Ende des Kurorts, saßen Ignaz und Ursel Grasegger auf der Terrasse. Auch sie hielten Nachtwache, aber wesentlich entspannter und sorgenfreier als die versprengten Auftragskiller. Sie vertrieben sich die Zeit mit einer exzentrischen Variante des Bleigießens: Sie gossen mit purem Gold. Für eine normale Silvestergaudi ist die Variante übrigens ungeeignet. Gold hat einen wesentlich höheren Schmelzpunkt (1064° C) als Blei (327° C) oder Zinn (232° C) – ein Fonduestövchen tuts da nicht mehr. Also hatten sie sich einen Schweißbrenner besorgt und das Edelmetall damit geschmolzen.
    »Ich finde, das sieht aus wie ein Lasso!«, sagte Ignaz und hielt etwas hoch, das wie eine undefinierbare Mini-Skulptur von Curro Clandestino, dem neuen Stern am internationalen Skulpturenhimmel, aussah. »Kannst du mal nachsehen, was das bedeutet?«
    Ursel hatte eine entsprechende Internetseite aufgerufen.
    »Lasso heißt: Verfolgen Sie Ihr Ziel energisch, langfristig wird es gelingen.«
    »Vielleicht ist es auch eine Krawatte.«
    »Krawatte heißt: Ihre momentane Arbeit befriedigt Sie nicht. Denken Sie über einen Berufswechsel nach.«
    »Diese Figur hier bedeutet wahrscheinlich gar nichts.«
    »Für uns bedeutet sie drei- oder vierhundert Euro Verkaufswert. Mehr Bedeutung geht nicht.«
    »Wenn der Goldpreis nicht noch weiter sinkt.«
    »Dann sollten wir uns beeilen.«
    Ursel blickte auf und wies auf einen gegenüberliegenden Berg.
    »Aber da schau einmal rüber! Da, unterhalb der Törlspitze! Blinkt da nicht was?«
    Ignaz hob den Kopf.
    »Ich sehe nichts.«
    »Doch, gleich unterhalb der Kante, weißt du, da, wo es so steil runtergeht.«
    »Da hat halt jemand ein Bergfeuer gemacht. Kommt öfters vor.«
    »Nein, das sind Zeichen. Drei kurz, drei lang, drei kurz. Das heißt doch SOS!«
    »Schmarrn. Morsezeichen! Wer verwendet die denn heute noch? Und dann auch noch am Berg! Das ist doch ein Seezeichen.«
    »Schon wieder!«
    »Also gut, Ursel, ich glaube es zwar nicht, aber bloß, damit du Ruhe gibst: Dann melden wir es halt der Bergwacht.«
    Mühsam quälte sich Ignaz hoch und schlurfte zum Telefon. Er hatte heute einfach zu reichlich zu Abend gegessen. Und Goldklumpen ins Wasser werfen ist auch nicht die Art Bewegung, die der Fitnesstrainer vorschreibt.

    Um vier Uhr morgens schoben sich drei müde Gestalten durch die örtliche Klinik. Sie waren in weiße Kittel gehüllt, rotschläuchige Stethoskope umschlangen sie, und sie notierten kryptische Zeichen auf Klemmbretter. Es war wohl ein Ärzteteam auf Nachtvisite. Ein gutaussehender, aber unauffälliger Mann mittleren Alters ging voran, er schien der Chef zu sein, vielleicht ein Oberarzt. Eine schlaksige Frau mit Brille und ein knochiger jüngerer Mann folgten ihm. Assistenzärzte? Bestimmt. Das Team schien gut eingespielt zu sein. Einer öffnete die Tür zu einem Krankenzimmer, der Zweite trat vorsichtig hinein und erschien kurze Zeit darauf wieder, der Dritte blieb in der Zeit auf dem Gang stehen und sah sich nach allen Seiten um.
    »Stengele hat recht gehabt«, sagte der Oberarzt, als er wieder auf den Gang trat. »Es gibt zig Möglichkeiten, sich hier zu verstecken. Ich teile aber auch Stengeles Vermutung, dass der Tunesier nicht mehr hier ist.«
    »Wir haben es zumindest versucht.«

    Nein, sie wurden nicht angesprochen und um eine Diagnose gebeten. Nein, Jennerwein, Maria Schmalfuß und Ostler mussten auch an keiner Operation teilnehmen. Aber sie beobachteten doch etwas äußerst Merkwürdiges. In der Notaufnahme gab es, kurz vor fünf Uhr morgens, Geschrei und Türenschlagen. Draußen hörte man kreischende Bremsen, ein Mann mit einer großen Schachtel stürzte herein.
    »Reanimation!«, rief er. »Schnell.«
    Der Mann in

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