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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Frau zusammengestoßen war. Und auf einmal kam ein winzig kleines Stückchen Erinnerung zurück. Die Frau hatte ihn natürlich nicht als Hüttenwirt erkannt, woher sollte sie auch. Sie hatte ihn, nach dem Zusammenstoß, lediglich als Fremden mit zwei Plastiktüten wahrgenommen. Sie war nicht direkt erschrocken, aber doch etwas verärgert, dass sie aufgehalten wurde. Sie war in Eile. Und nicht sie hatte etwas gesagt, sondern er ! Das hatte er vergessen. Und was hatte er noch mal gesagt? – Freilich! Genau! Langsam, ganz langsam kam die Erinnerung zurück, langsam baute sich Pixel um Pixel des Bildes auf, das er gesehen hatte. Und plötzlich wusste er ganz genau, mit welchen Worten er sich entschuldigt hatte. Und diese Worte warfen ein ganz neues Licht auf die Ereignisse. Ein ganz neues Licht.

    Ganshagel bekam einen Schweißausbruch. Sein Hemd klebte am Körper. Es hatte keinen Sinn, hier noch weiter stehen zu bleiben. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber er musste weg von hier. Nervös lief er nach Hause. Er schaute nicht nach links und rechts, ein paar empörte Radfahrer klingelten, er senkte den Kopf und beschleunigte seine Schritte. Die Angst packte ihn am Schlafittchen. Die Angst betatschte ihn mit klebrigen Händen, sie kroch an ihm empor, sie schien seine Muskeln aufzuweichen. Sollte er mit dem, was ihm nun eingefallen war, nicht gleich zu Kommissar Jennerwein gehen? Er blieb kurz stehen. Nein, keine gute Idee, er hatte sich doch zur Verschwiegenheit gegenüber seinen Kunden verpflichtet. Und der Überfall der Inder im Wald – das war sicher eine Warnung gewesen! Eine Warnung, gerade über dieses Treffen Stillschweigen zu bewahren. Er lief weiter. Keuchend blieb er abermals stehen. Er setzte eine SMS an die Graseggers ab und steckte das Gerät wieder ein. Die Knie zitterten ihm, er musste sich an einem Gartenzaun festhalten.
    »Ist dir nicht gut, Gansi?«, sagte die Hölzl Susi, die vorbeikam. »Du bist ja ganz blass!«
    »Geht schon«, sagte er und hastete weiter. Als er sich umblickte, bildete er sich ein, jemanden hinter einer Hausecke verschwinden zu sehen. Er wählte einen anderen Weg. Er beschleunigte seine Schritte. Und als er von der Zirbelkopfstraße in die Hindenburgstraße einbog, da wusste er ganz sicher, dass ihn jemand verfolgte. Er sah niemanden, er spürte es einfach. Er verfiel in Laufschritt. Sollte er doch die Polizei rufen? Am besten war es sicherlich, einfach heimzugehen, sich einzuschließen und den Mund zu halten. Es war nicht mehr weit zu seinem Häuschen. Vielleicht drei oder vier Minuten. Als er das Haus sah, überrollte ihn eine Welle der Erleichterung. Er fand das Schlüsselloch nicht gleich. Hastig und fluchend öffnete er die Tür. Er verriegelte sie von innen. Schließlich setzte er sich auf einen Küchenstuhl. Er stürzte eine Schale mit kaltem Beifußtee hinunter. Er schnaufte durch. Geschafft.

    Und dann ging alles ganz schnell. Er spürte einen Stich am Hals, der Schmerz war kleiner, als eine Mücke ihn verursacht. Es war gar kein Schmerz, es war ein winzig kleiner Stich, der ihm vielleicht gar nicht aufgefallen wäre, wenn er nicht kurz danach ein taubes Gefühl in den Beinen verspürt hätte. Auch seine Arme und Hände gehorchten ihm nicht mehr. Mühsam drehte er den Kopf in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war. Und jetzt fügte sich alles zusammen, lächerlich spät fügte sich alles zusammen. Ganshagel wusste, wen er dort unten gesehen hatte und was er selbst gesagt hatte und warum da oben eine Frau ohne Gesicht gelegen hatte. Er erkannte, dass Jennerwein gleichzeitig auf der richtigen und auf der falschen Spur war. Aber lächerlich spät erkannte er das, und er hätte fast noch einmal aufgelacht. Aber er konnte nicht auflachen, das Zeug, das in seine Halsschlagader eindrang, war jenseits von Ernst und Lächerlich. Es war endgültig. Fünf Sekunden waren Ganshagel geblieben, um die Wahrheit zu erkennen. Fünf Sekunden – das war die Variante KURZ UND SCHMERZLOS. Das kostete normalerweise 3000 Euro plus Spesen. Aber in diesem Fall war es ja Eigenbedarf.

35

tschak-uip! (Schrei der Blaumerle im Unterholz, leicht zu verwechseln mit dem Schrei des Steinschmätzers)
    »Sie erkennen also die Frau in der Zeitung wieder?«
    »Ja freilich. Die war einmal Kurgast in meiner Pension. Nicht hier im Ort. Ich habe damals Gästezimmer am Tegernsee gehabt.«
    »Wann?«
    »Das ist natürlich schon lange her, vielleicht zwanzig Jahre.«
    »So lange?«
    »Ich kann auch

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