Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Schwammerlsuchen nach Italien fahrt«, sagte Ostler spitz. »Aber sagt einmal: Was ist eigentlich dran an dem Gerücht, dass ihr euch als Bürgermeisterkandidaten aufstellen lassen wollt?«
»Das ist nicht unsere Idee«, sagte Ursel. »Wir werden von allen Seiten gedrängt zu kandidieren. Wir überlegen uns das noch. Es hätte schon seinen Reiz. Dann wären wir ja quasi eure Vorgesetzten. Aber bringt ihr erst einmal eure Ermittlungen zu Ende –«
»Nicht unverschämt werden, gell. Und jetz schaugts, dassds weiterkommts! «
Dieser Abschiedsgruß mag für außerbayrische Ohren roh klingen, dem Werdenfelser ist es jedoch der Wunsch für ein gutes Gelingen der weiteren Schritte. Die Graseggers verneigten sich freundlich, Ostler ging wieder hinein ins Revier und berichtete von seinem Gespräch mit dem widerspenstigen Ehepaar.
»Viel hat es nicht gebracht. Die beiden sind der Ansicht, dass unsere Tote die berüchtigte ›Äbtissin‹ sein könnte. Hat jemand von Ihnen diesen Namen schon einmal gehört?«
Alle schüttelten den Kopf. Nicole suchte im Netz, Jennerwein telefonierte mit seinem BKAler. Er schaltete auf laut.
»Äbtissin? Noch nie gehört«, knarzte eine Stimme. »Der Schakal, der Hammer, die Zange, der Mexikaner – alles auf meiner Liste. Aber Äbtissin – nein. Was folgt daraus? Entweder gibt es sie gar nicht, oder sie muss in der Hierarchie ganz oben stehen beziehungsweise gestanden haben. Wir kommen eigentlich immer nur bis zum Mittelbau, weiter nicht. Aber ich höre mich mal um.«
Jennerwein bedankte sich und trennte die Verbindung.
»Ob sie jetzt ›Äbtissin‹ heißt oder anders – das bringt uns auch nicht weiter. Und einer Information, die von diesen beiden Gaunern kommt, der traue ich schon einmal prinzipiell nicht.«
»Glauben Sie, dass es der Tunesier war, der Sie angegriffen hat?«, fragte Nicole.
»Ich weiß nicht so recht«, antwortete Jennerwein. »Ich selbst habe ihn ja im Wald bei Wamberg nicht gesehen. Ich habe deshalb keinen Vergleich. Und in der Küche von Ganshagel ging alles viel zu schnell. Ich kann mich nur noch an das Bild von weglaufenden Beinen erinnern. Unglaublich leichtfüßig, richtig sportlich. Die Beine steckten in engen, dunkelblauen Jeans. Dann kann ich mich noch an eine Hand erinnern, die einen schwarzen Gegenstand fest umklammert hielt. Es könnte eine Taschenlampe gewesen sein. Mehr ist beim besten Willen nicht drin in diesem Schädel.«
Er tippte sich auf die Stirn. Wenn heute Vormittag doch nur das Bild der weglaufenden Beine vor seinen Augen stehengeblieben wäre! Da wäre ihm ein Anfall so nützlich gewesen. Das Bild war aber nicht stehengeblieben. Es war alles viel zu schnell gegangen.
»Welche Nachrichten geben wir raus?«, fragte Nicole.
»Alle, die wir haben«, antwortete Jennerwein. »Was spricht schon dagegen?«
»Also etwa folgendermaßen –«
Nicole formte mit den Fingern die Schlagzeilen in die Luft.
»Die ›Äbtissin‹ … eine international gesuchte Auftragsmörderin … ist im hochkriminellen Milieu internen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen … Der Hüttenwirt Rainer Ganshagel ist ein weiteres Opfer … Der Täter, der auch einen Polizeibeamten angegriffen hat, ist flüchtig … Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um den Tunesier Chokri Gammoudi …«
»Gut, Nicole, geben Sie das an die Presse, stellen Sie es ins Netz, twittern Sie es, wie auch immer. Und achten Sie auf die Reaktionen.«
»Mach ich. Ist in ein paar Minuten online.«
Nicole war schon dabei, ihre drei Notebooks zu bearbeiten. Maria hatte sich eine Tasse Kaffee gemacht und rührte unendlich lange in ihr herum. Jennerwein überlegte ebenfalls. Er massierte die Stirn mit Daumen und Mittelfinger. Keiner unterbrach ihn dabei. Irgendetwas an Nicoles Schlagzeilenentwürfen hatte Jennerwein stutzig gemacht. … Auftragsmörderin … im hochkriminellen Milieu internen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen … Ein kleiner, misstrauischer Gedanke stieg in Jennerweins Kopf. Gehörte es am Ende zum Plan des Täters, dass genau diese Informationen in Umlauf gelangten?
Er wollte dem Gedanken nachgehen, da kam Becker herein.
»Chef, ich habe die Resultate ausgewertet.«
»Im Fall Ganshagel?«
»Ja. Das war ein Profi, vollkommen klar. Da bin ich Ihrer Meinung, Chef. Er hat keinerlei Spuren hinterlassen. Aber! Auf dem Boden lag ein einzelnes Haar. Es lag so offensichtlich da, dass es direkt ins Auge stach. Es war derselbe Effekt wie bei der
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