Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Martinshorn draußen auf der Straße war, und nicht dieser verdammte Sirtaki. Im nächsten Restaurant war keine laute Musik, dafür eine heillose Hektik. Ostler glaubte einen Augenblick, dass er in Babel angerufen hatte. Er brachte sein Anliegen öfters vor, wurde weitergereicht, wurde liegengelassen, schließlich war der richtige Mann am Apparat.
»Wer bist du? Ostelere? Ostelere!? Ah, freilich, Capitano Ostelere! Kannst du nicht später anrufen? Während wir reden, laufen mir die Gäste massenweise davon, laufen hinüber zu Pedro, verderben sich den Magen mit seiner schlechten Pizza. Oder laufen heim, machen sich selbst Pampf von Tiefkühlpizza. Und was willst du mit deinem Grünkohle mit Pinkele?«
»Gibts bei dir so was?«
»Ja, ich schau mal nach in unserer Liste. Wir bieten hunderte verschiedene Pizze an, mit allen möglichen Belägen. Eventgastronomie eben. Ostelere, da musst du mal zu uns kommen! Wir machen Pizza mit Bratewürste – Pizza Norimberga; Pizza mit Käsespatze – Pizza Svenvia; einmal ist der Bürgermeister mit indischer Delegation gekommen, da haben wir Pizza Yogi gemacht, da war ein Tandoori-Hühnchen drauf, Reis und ein Glas Mango-Lassi. Aber nein, Grünkohl und Pinkel, nein. Aber wäre eine Idee. Muss weiter. Ciao, Colonello Ostelere, ciao.«
»Ja, dann arrividerci! Tschau. Servus. Depp.«
Die Motorengeräusche entfernten sich langsam. In einer halben Stunde war der Ring um den Kurort vermutlich schon geschlossen. Das war auch ganz gut so, dass es jetzt leiser wurde, denn die nächste Adresse auf seiner Liste war etwas Piekfeines, es war ein Spitzenrestaurant am Rande des Orts, etwas höher gelegen, mit Blick auf den Stürfelsee: das Luxushotel Zum Alten Sägewerk . Ostler brachte sein Anliegen vor. Beim Chef de cuisine. Der Chef de cuisine näselte stark.
»Ich habe Sie eben schon richtig verstanden, Herr Ostler: Sie wollen Grünkohl mit Pinkel?«
»Nein, ich will das ja nicht. Ich habe gefragt, ob Sie das haben!«
»Aber warum fragen Sie dann, ob wir das haben, wenn Sie es nicht wollen!«
»Ich frage ja nur theoretisch.«
»Theoretisch, bitte sehr. Natürlich bieten wir im Alten Sägewerk auch extravagante Sachen an, aber –«
»– Grünkohl mit Pinkel in den letzten Tagen eben nicht?«
»Eine Sterneküche, und dann Grünkohl mit Pinkel. Das ist ein Scherz, Herr Ostler. Jahrzehntelange Tradition, und dann vielleicht noch eine Wurstsemmel. Ich als Spitzenkoch, und dann Leberkäs. Machen wir alles! Wartens einmal, Grünkohl mit Pinkel, wie heißt denn das französisch? Aha: Chou frisé. Avec – pipi.«
»Klingt nicht so gut. Wiedersehen.«
Auf der anderen Leitung blinkte es.
»Hier ist nochmals Toni Pfaffkugl. Jetzt kommts mir erst!«
»Was kommt Ihnen erst?«
»Was für eine Unverschämtheit das ist! Grünkohl mit Pinkel! Haben Sie nichts anderes zu tun! Fassen Sie lieber den Grattler, der da oben auf der Alm alles durcheinandergebracht hat! Haben Sie bei dem Schmollinger schon angerufen?«
»Ja, das habe ich auch schon.«
»Schauns einmal bei dem in der Küche nach, da sollen die Ratzen umeinanderlaufen –«
»Herr Pfaffkugl, ich muss dann wieder –«
»Die ganze Küch voller Ratzen! Haben Sie jetzt einen Einsatzwagen hinübergeschickt?«
»Nein! Hörns auf! Ich hab was anderes zu tun!«
»Da geht nämlich grade eine Reisegruppe hinein. Wenn Sie jetzt einen Streifenwagen hinschicken, dann kommt die Reisegruppe vielleicht zu mir –«
»Legen Sie auf!«
»Ja, so ist es mit die Kriminaler! Da, wo es wirklich kriminell wird, da kneifn sie.«
»Hier ist Ostler. Ich möchte den Giuseppe nochmals sprechen.«
»Ostelere! Was gibts?«
»Ja, Giuseppe –«.
»Ostelere! Du störst schon wieder. Ich mach keine Pizza mit Grünkohl –«
»Nein, nix Grünkohl, zefix. Acht Pizza Regina, zu uns ins Revier. Und pronto, sonst werd ich züntig!«
43
Das Hauptwerk von Ludwig Ganghofer (1855 – 1920) ist Das Schweigen imWalde . Zwischen mehreren Seiten des handschriftlichen Manuskripts fanden sich getrocknete Blätter des Gemeinen Wild-Efeus , der nur im Wald von Oberammergau vorkommt. Ganghofer hat sich also ins Unterholz gelegt und dort seine Romane geschrieben. Das erklärt einiges.
Gib einem Inder irgendwo auf der Welt ein Zimmer, er wird es innerhalb von wenigen Minuten in eines verwandeln, in dem der allumfassende Geist von Tara Bodhisattvi schwebt. Kaum öffnet er seinen Reisekoffer, da duftet es auch schon nach Patschuli und kunstvoll
Weitere Kostenlose Bücher