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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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kamen zutage, zerschlissen und gebräunt, aber immer noch farbig und wohlerhalten genug, um erkennen zu lassen, dass es ein Soldat gewesen sein musste.
    Wie kam der hierher? Wahrscheinlich war er im Frühjahr 1945 beim Kampf um Berlin gefallen. Oder als Deserteur erschossen worden. Das schien wahrscheinlicher zu sein, denn soweit Wiederschein wusste, hatte es hier oben in Frohnau keine Gefechte gegeben.
    Er stützte sich auf seinen Spaten. Sollte er am Morgen zur Polizei gehen und die Sache anzeigen? Nein, denn mit seinem Freund Siebenhaar wollte er nichts zu tun haben. Und dann der Tratsch. Wo man einen Toten unterm Kirschbaum gefunden hatte, mochte keiner mehr einkehren.
    Es war also besser, die Sache nicht an die große Glocke zu hängen. Hatte der Tote über 50 Jahre hier gelegen, konnte er auch noch weitere 50 Jahre hier liegen. Und damit warf Wiederschein den Armknochen, den er ausgegraben hatte, in die Grube zurück und schüttete diese wieder zu.
    Während dieses Zuschüttens aber hing er all jenen Gedanken und Vorstellungen nach, wie sie ihm seit Wochen immer häufiger kamen. Kamen und gingen. Heute aber gingen sie nicht, sondern wurden Pläne, die Besitz von ihm ergriffen …

3.
    »… Armut ist das Schlimmste, schlimmer als Tod, schlimmer als …«
    Er nickte. »So denk’ ich auch, Ursel. Nur nicht arm. Aber komm in den Garten! Die Wände haben hier Ohren.«
    Und so gingen sie hinaus. Draußen aber nahm sie seinen Arm, hing sich, wie zärtlich, an ihn und plauderte, während sie den Mittelsteig des Gartens auf und ab schritten. Er seinerseits schwieg und überlegte, bis er mit einem Male stehenblieb und, das Wort nehmend, auf die wieder zugeschüttete Stelle neben dem Birnbaum wies. Und nun wurden Ursels Augen immer größer, als er rasch und lebhaft alles, was geschehen müsse, herzuzählen und auseinanderzusetzen begann.
    »Es geht nicht. Schlag es dir aus dem Sinn. Es ist nichts so fein gesponnen …«
    Er aber ließ nicht ab, und endlich sah man, daß er ihren Widerstand besiegt hatte. Sie nickte, schwieg, und beide gingen auf das Haus zu.
    (Theodor Fontane, ›Unterm Birnbaum‹)

     

     
    Zum Lebensstil von Siegfried Schulz gehörte es, zweimal in der Woche Golf zu spielen. Meist tat er das am Ufer des Scharmützelsees, wo er ein Sommerhaus besaß, diesmal aber zog er mit Herbert, einem neuen Berliner Freund, auf dem Stolper Platz von Loch zu Loch, und da man auf dessen letztem Grün das Panoramabild Frohnaus vor Augen hatte, kam man schnell auf seinen ›Neffen über x-Ecken‹ zu sprechen.
    »Ist das der mit dem Restaurant an der S-Bahn?«, fragte der Freund.
    Schulz nickte. »Ja. Das ist alles mein Geld, was du da siehst. Nur die Idee ist von ihm – immer à la world-carte essen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ’ne Goldgrube ist«, sagte Herbert, der Rechtsanwalt war. »Warum hast du das eigentlich gemacht?«
    »Gott, sein Vater, der Walter Wiederschein, und mein Vater sind Cousins gewesen, und als ich von Wiederscheins finanziellen Problemen gehört habe, bin ich sofort in die Bresche gesprungen. Familie ist alles.«
    Schulz, der aus Prinzip jede Art von Belletristik verabscheute, wusste nicht, dass dieser Ausspruch aus der Welt der Mafia kam und in Mario Puzos Roman ›Der Pate‹ öfter wiederholt wurde.
    Golf zu spielen gehörte zum Geschäft, und die Bewegung an der frischen Luft war ihm vom Arzt verordnet worden, aber eigentlich hasste Schulz diesen sogenannten Sport. Zum einen erschien es ihm höchst albern, so wie wenn Erwachsene Murmeln spielten, und zum anderen ärgerte er sich darüber, dass er nicht in der Lage war, dem Ball seinen Willen aufzuzwingen. Mit einem Handicap von 100 war er gewiss kein schlechter Spieler, aber dennoch landeten seine Abschläge oft genug im ›rough‹ oder er verfehlte beim ›put‹ vom Rande des Grüns das Loch um mehrere Meter.
    Sie erreichten das Grün in der Nähe des naturbelassenen Weges, der vom Frohnauer Friedhof an der Hainbuchenstraße schnurgerade nach Stolpe führte und von uralten Bäumen gesäumt wurde. Ein Radfahrer hielt, sprang ab und näherte sich dem Zaun.
    »Herr Schulz! Onkel Siegfried!«
    Schulz hasste Leute, die ihm beim Golfspielen zusehen wollten, brummte immer etwas von Packzeug und Proleten und sah nicht auf, wenn sie dastanden und gafften, aber eben war sein Name gerufen worden und die Stimme war ihm bekannt vorgekommen.
    »Mensch, das ist doch mein Neffe!«
    »Dieser Wiederschein vom ›à la

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