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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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geparkten Porsche entgegenstrebte. Da der Wind noch immer kräftig wehte, musste er sich seinen Borsalino mit der freien Hand festhalten. Zudem hatte er den Kragen seines Mantels hochgeschlagen.
    Pfarrer Eckel, der ein Frühaufsteher war, kam mit seinem Hund vorbei, grüßte kurz und staunte über den frühen Aufbruch.
    »Gute Fahrt!«, rief Wiederschein. »Und viel Erfolg oben in Rostock.«
    Schnell startete Schulz den Wagen und fuhr laut hupend davon.
    Wiederschein, Freddie, Gudrun und Pfarrer Eckel winkten ihm so lange hinterher, bis er um die Ecke gebogen war und Kurs auf Oranienburg genommen hatte.

4.
    Szulskis Einspänner lag wie gekentert im Wasser, das Verdeck nach unten, die Räder nach oben; von dem Pferde sah man nur dann und wann ein von den Wellen überschäumtes Stück Hinterteil, während die Schere, darin es eingespannt gewesen, wie ein Wahrzeichen aus dem Strom aufragte. Den Mantelsack hatten die Wellen an den Damm gespült, und nur von Szulski selbst ließ sich nichts entdecken.
    »Er ist nach Kienitz hin weggeschwemmt«, sagte Schulze Woytasch. »Aber weit kann er nicht sein; die Brandung geht ja schräg gegen den Damm.«
    Und dabei marschierte man truppweise weiter, von Gestrüpp zu Gestrüpp, und durchsuchte jede Stelle.
    (Theodor Fontane, ›Unterm Birnbaum‹)

     

     
    Mario Furmaniak war in Oranienburg geboren worden, was er aber gern verschwieg, da es viele Mädchen wenig erotisch fanden, wenn sie erfuhren, dass ein potenzieller Lover aus Brandenburg kam. Er hatte in Berlin und einigen anderen Städten mit eifrigem Bemühen Biologie studiert und saß nun an seiner Dissertation, die der Frage galt, welche Chancen bestimmte Fischarten in märkischen Kanälen hatten. Da sein Professor großen Wert auf die empirische Forschung legte, musste Mario Furmaniak im Sommer 1998 durch Brandenburg ziehen und die Angel auswerfen. Dies tat er allerdings sehr ungern, denn stundenlang an einer öden Kanalböschung zu sitzen und zu warten, bis irgendein Stichling sich die Ehre gab anzubeißen, war nicht seine Sache. Dazu war er viel zu unruhig. Auch war es ihm peinlich, für einen echten Angler gehalten zu werden, galt doch diese Menschengruppe gemeinhin als treudeutsch und bieder. Um sich sozusagen emotional über Wasser zu halten, hatte er in seinem Rucksack stets seinen Laptop stecken und arbeitete, nachdem er die Ruten ausgelegt hatte, an kleineren Beiträgen für Fachzeitschriften. Im Augenblick saß er an einem Artikel über die Hechtreißer zu Wriezen, die um 1700 sogar eine eigene Zunft gebildet hatten. Ihren Namen hatten sie daher, dass sie den Fischern die gefangenen Hechte, die es damals massenhaft in der Oder und ihren Gewässern gab, abkauften und sie vom Rücken her spalteten, das heißt, aufrissen, ohne sie voll zu durchtrennen. Dann wurden die Tiere ausgenommen und eingesalzen und kamen in große Tonnen. Eine Tonne gerissener Hechte fasste im Allgemeinen drei Zentner. Betrüger mischten Quappen, Plötzen und Güster unter die Hechte.
    Dies alles ging Mario Furmaniak durch den Kopf, als er kurz nach 6 Uhr morgens mit der S-Bahn in Oranienburg ankam. Er trug sein Rad hinunter auf den Bahnhofsvorplatz, schwang sich in den Sattel und fuhr ein Stückchen nach Norden, um dann nach rechts in die Bernauer Straße abzubiegen, für seine Großeltern die Königsallee, später zu DDR -Zeiten die Straße des Friedens. In einer ihrer Seitenstraßen war er aufgewachsen. Auch das verschwieg er seinen Kommilitonen, denn auf der linken Seite der Bernauer Straße erstreckte sich das Gelände des KZ s Sachsenhausen. Damit mochte er nicht in Verbindung gebracht werden, auch wenn er zum Jahrgang 1974 gehörte.
    Rechts von ihm breitete sich der Lehnitzsee aus, und an dessen nördlichem Ende begann der Oder-Havel-, früher Hohenzollernkanal. Zuerst führte dieser schnurgerade nach Norden, um dann hinter dem Grabowsee in sanftem Bogen die Richtung zu ändern und dem Osten, also der Oder, zuzustreben. An der Malzer Schleuse ging es nach einem kleinen Schlenker der Straße über einen anderen Kanal, den Malzer Kanal, hinweg, dann konnte Furmaniak auf den schmalen Fahrweg hoch über dem Kanal zurückkehren.
    Eine junge Frau kam ihm entgegen, eine Joggerin. Er wich ihr aus und staunte, dass jemand so früh trainierte. Wahrscheinlich für den nächsten Berlin-Marathon.
    Furmaniak war nur wenige 100 Meter geradelt, da bremste er abrupt, denn was er unten im Kanal sah, das … Er sprang ab, ließ sein Rad ins Gras fallen,

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