Unterm Kirschbaum
war, obwohl sein Gefühl ihm sagte, dass es so war.
»Möchten die Herren etwas trinken?«, fragte Sandra Schulz.
»Wir sind im Dienst«, antwortete Schneeganß. »Auch Trinkgelder dürfen wir nicht annehmen.«
»Ich meinte nur ein Wasser.«
»Mit Wasser, damit kochen wir nur.« Bei schönen Frauen wie ihr bemühte sich Schneeganß immer, so witzig zu sein, wie es die Männer in Hollywood-Komödien sein wollten.
»Das klingt ja nicht sehr hoffnungsvoll …« Sandra Schulz setzte sich an den Wohnzimmertisch, dessen Ausmaße das Wort Tafel rechtfertigten, und bat die Beamten, ihr gegenüber Platz zu nehmen. »Er ist also mit seinem Wagen bei Oranienburg in einen Kanal gestürzt und wahrscheinlich ertrunken …?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Schneeganß referierte ihren bisherigen Erkenntnisstand. »Und nun erhoffen wir uns von Ihnen Auskünfte, die uns und die Brandenburger Kollegen weiterbringen können.«
»Wer könnte ein Motiv gehabt haben, ihn …?«, fragte Hinz.
Sandra Schulz spielte mit einem herumliegenden Radiergummi. Offensichtlich hatte sie Kreuzworträtsel gelöst und dabei nicht immer auf Anhieb das richtige Wort gefunden. »Feinde hat er genügend gehabt, aber dass einer gleich …«
»Dasselbe haben wir schon in der Firma gehört«, sagte Schneeganß.
»Also wird es doch nur ein Unfall gewesen sein …« Sandra Schulz starrte dabei auf ihr Rätselheft. »Berliner Kriminalschriftsteller mit drei Buchstaben. Das müssten Sie doch wissen.«
»Eik«, sagte Schneeganß. »Jan Eik, eigentlich Helmut Eikermann.«
»Gut, sehr gut.« Sandra Schulz freute sich und vervollständigte ihr Kreuzworträtsel. »Was werden Sie weiterhin unternehmen, um meinen Mann …?«
»Das Motiv ist das A und O«, sagte Hinz.
Sandra Schulz sah ihn fragend an. »Was für ein Motiv: Ein Motiv für ihn, seinen Porsche im Oder-Havel-Kanal zu versenken und abzutauchen, oder das Motiv für XY , ihn umzubringen?«
»Beides, würde ich sagen.«
Sie legte ihren Druckbleistift beiseite und überlegte. »Fangen wir mit dem Abtauchen an: Steuerschulden? Hatte er keine, soweit ich weiß. Schwierigkeiten mit der Russenmafia, einer libanesischen Großfamilie oder wem auch immer? Nein, da wird keiner einen Killer losschicken, so lieb, wie sie sich alle haben. Und einer seiner Feinde, XY also …? Auch Fehlanzeige, da kann ich mir nicht vorstellen, dass einer wirklich zugeschlagen hätte.«
Schneeganß wagte den Schmetterball ohne lange Vorbereitung. »Und einer Ihrer Liebhaber, Frau Schulz?«
Sie lachte. »Von denen weiß er nichts, unter Garantie nicht.«
»Sie geben aber zu, welche zu haben?«
»Ich gebe gar nichts zu, siehe Datenschutz.«
»Es geht hier um Mord«, erklärte Hinz.
»Wer sagt Ihnen denn, dass es sich um Mord handelt?«, fragte sie. »Wenn wir wissen, dass Siegfried wirklich ermordet worden ist, können wir weitersehen.«
Schneeganß wusste, dass sie das akzeptieren mussten. Was blieb ihnen also übrig, als kleinere Brötchen zu backen und sich damit zu begnügen, herauszufinden, was Schulz gestern alles gemacht hatte und wo er überall gewesen war.
»Sie waren zwar in Mailand, Frau Schulz, können uns aber sicher sagen, wann Ihr Mann heute Morgen von hier aus in Richtung Ostsee aufgebrochen ist und ob er womöglich jemanden mitgenommen hat.«
»Wen er mitgenommen hat, weiß ich nicht, aber er ist gar nicht von hier aus losgefahren, sondern hat vorher bei seinem Neffen in Frohnau übernachtet. Den wollte er schon lange mal treffen, und da hat sich das so ergeben, weil das direkt auf dem Weg nach Rostock liegt. Brauchte er erst eine Dreiviertelstunde später aufstehen.«
»Das ist ja interessant«, sagte Hinz. »Wenn Sie uns bitte die Adresse geben könnten.«
Sandra Schulz tat es und erzählte ihnen nebenbei, was sie über das Restaurant ›à la world-carte‹ alles wusste. »Sein Neffe Rainer hat bei ihm hoch im Kurs gestanden, und die beiden sind immer gut ausgekommen, sofern man mit Siegfried Schulz gut auskommen kann.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Schneeganß.
»Harte Schale, weicher Kern.«
Schneeganß hatte das Gefühl, dass sie ihren Mann in Schutz nahm und aus einem Grund, den er gern gewusst hätte, nicht so krass schilderte, wie er eigentlich war. Vielleicht war es wirklich Liebe, denn immer wieder geschah es ja, dass Frauen Männer liebten, die eigentlich Kotzbrocken waren, Menschenschinder, Mörder. Trotz ihrer Liebhaber liebte sie ihren Mann, möglich war alles.
»Ja, dann
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