Unterm Kirschbaum
wohnen in der umgebauten Waschküche und sollten ihm das Frühstück machen.«
»Das haben sie aber nicht?«, fragte Schneeganß.
»Nein, mein Onkel hat es sehr eilig gehabt. Ich dachte, er würde mit mir frühstücken, wie wir das am Abend besprochen hatten … Darum war ich selbst überhaupt so früh auf … Aber dann ist er einfach an uns vorbei, furchtbar missgestimmt …«
Schneeganß dachte laut. »Was ja darauf hindeutet, dass er einen Anruf bekommen hat … Von wem wohl?«
»Mir ist nichts bekannt, und von seinem Zimmer aus hat er niemanden angerufen. Mit dem Handy vielleicht …«
»Das kann man herausbekommen«, sagte Hinz. »Und sonst ist Ihnen nichts an ihm aufgefallen …? Hat er eine Bemerkung über mögliche Feinde gemacht, hat er sich bedroht gefühlt …?«
Wiederschein überlegte einen Augenblick. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Okay«, sagte Schneeganß. »Bisher ist alles offen, und Sie sind so nett und rufen uns an, wenn Ihnen etwas einfällt oder ein Anruf eingeht, der Ihren Onkel betrifft.« Auch Wiederschein drückte er sein Kärtchen in die Hand. »Ansonsten … Ich hätte gern noch einmal mit den anderen gesprochen, die Ihren Onkel am Morgen gesehen haben, wie er in seinem Porsche davongefahren ist, und anschließend einen Blick in das Zimmer geworfen, in dem er übernachtet hat.«
»Aber selbstverständlich.«
Wiederschein führte sie zu Freddie und Gudrun, die Schneeganß und Hinz die Abfahrt von Schulz in allen Einzelheiten schilderten, sie in der Sache aber nicht weiterbrachten. Schneeganß begann, sich zu langweilen.
Auch Pfarrer Eckel, der mit seinen Freunden vorn im ›à la world-carte‹ saß und tafelte, konnte nichts weiter zu Protokoll geben, als dass Schulz in seinen Porsche gestiegen und fortgefahren sei.
»Mit wehendem Mantel und seinem Borsalino auf dem Kopf«, berichtete der Pfarrer. »Ein prächtiges Bild. Ich hatte, als ich ihn so sah, gerade über meine nächste Predigt nachgedacht, bei der ich über einen Spruch Salomos reflektieren will – ›Wer eine Sache klüglich führt, der findet Glück …‹ –, und dachte so bei mir, dass es das Beste auf dieser Welt ist, mittelständischer Unternehmer zu sein. Und nun das … Wie trügerisch doch alles ist.«
»Ja, okay.« Schneeganß bedankte sich und ließ sich von Wiederschein Schulz’ Zimmer im umgebauten Pferdestall zeigen.
»Das Bett ist ja bereits gemacht!«, rief Hinz.
»Ja, das war Gudrun in ihrem Eifer. Gleich, nachdem mein Onkel weggefahren ist. Aber sie konnte ja auch nicht ahnen, dass er …«
»Nein, aber trotzdem … Ab jetzt wird hier nichts mehr verändert. Morgen rückt die Spurensicherung an.« Es war ärgerlich, dass das noch keiner veranlasst hatte, aber alle gingen wohl von einem Unfall aus und nicht wie er, Schneeganß, von einem Mord. Das hatte er so im Gefühl, dass es einer war.
»Sie haben sehr an Ihrem Onkel gehangen?«, fragte Schneeganß.
Wiederschein wurde ein wenig verlegen. »Um ehrlich zu sein: nein. Dazu war er ein, sagen wir es vorsichtig, ein zu schwieriger Charakter. Ich hoffe nicht, dass Sie mich irgendwie verdächtigen …?«
Schneeganß lachte. »Doch. Kennen Sie nicht die schöne Geschichte von Roald Dahl, wo in einem Restaurant hin und wieder ein wunderbares Fleischgericht serviert wird, unvergleichlich im Geschmack, und man nach und nach erfährt, dass immer kurz zuvor ein Mensch spurlos verschwunden ist.«
»Nein, kenne ich leider nicht«, sagte Wiederschein. »Und Sie meinen also, dass mein Onkel demnächst bei mir auf der Speisekarte stehen wird?«
»Ja, das meine ich, und darum werde ich in den nächsten Tagen immer mal wieder bei Ihnen vorbeikommen und alles kosten, was gut und teuer ist.«
»Das machen Sie mal, da freue ich mich drauf.«
Wiederschein brachte sie zur Straße und gab seiner Hoffnung Ausdruck, bald Positives vom Verbleib seines Onkels zu hören.
»Sandra Schulz und Rainer Wiederschein können wir beruhigt abhaken«, sagte Schneeganß, als sie wieder im Auto saßen. »Und wie es aussieht, müssen wir auf den erfolgreichsten unserer vielen Kollegen hoffen …«
»Auf wen?«, fragte Hinz.
»Na, auf den Kommissar Zufall.«
5.
Im Dorfe gab es inzwischen viel Gerede, das aller Orten darauf hinauslief: »Es sei was passiert und es stimme nicht mit den Hradscheks. Hradschek sei freilich ein feiner Vogel und Spaßmacher und könne Witzchen und Geschichten erzählen, aber er hab’ es hinter den Ohren, und was die Frau Hradschek angehe, die
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