Unterm Kirschbaum
sodass der Tatbestand des groben Unfugs nicht vorläge.
»Wenn das ein Film wäre, könnte er heißen: ›Wie produziere ich Doppelgänger am laufenden Band‹«, sagte Schneeganß. »Das hat diese Sandra Schulz ganz prima hingekriegt, Hut ab, schöne Reklame für sie.«
Es klopfte, und Schneeganß tat so, als würde er seine Waffe hochreißen und den ungebetenen Gast nach dem »Herein!« sofort erschießen wollen.
»Ja, bitte, wenn’s denn unbedingt sein muss.«
Herein trat ein Typ von Mensch, der bei Schneeganß sowieso sofort auf der Abschussliste stand: Brillenträger, Schöngeist, Akademiker, Lyrikleser, Arschloch.
»Mein Name ist Mario Furmaniak«, begann der Eintretende.
»Und Sie kommen wegen Schulz?«, fragte Schneeganß.
»Ja …« Furmaniak war baff. »Woher wissen Sie das?«
Schneeganß gab sich gelangweilt. »Ich habe den Crashkurs im Gedankenscreening gerade mit einer Eins bestanden.«
»Gratuliere.«
Schneeganß lehnte sich zurück. »Keine Ursache, war ja kein Kunststück, denn heute kommen alle wegen Schulz.«
»Ich bin aber nicht alle«, sagte Furmaniak. »Und zwar deshalb, weil … Sie müssten sich eigentlich an mich erinnern können …«
»Warten Sie …« Und richtig, es machte Klick bei Schneeganß. »Sie sind der junge Mann, der den Porsche im Kanal entdeckt hat.«
»Genau.«
»Ich hab Sie aber nur aus der Ferne da stehen sehen, mit Ihrem Angelzeug«, suchte sich Schneeganß zu rehabilitieren. »Gesprochen haben wir ja nicht miteinander …«
»Nein, das war Ihr Kollege Mittmann.«
»Schön …« Schneeganß war nun doch gespannt, was dieser Angler noch gesehen haben konnte. »Sie haben also nicht nur den Porsche im Wasser gefunden, sondern auch den dazugehörigen Herrn Schulz …?«
Furmaniak staunte. »Wieso?«
»Weil Sie gesagt haben, Sie seien wegen Schulz gekommen …?«
»Nur indirekt«, erwiderte Furmaniak. »Ich war nämlich gestern Abend essen im ›à la world-carte‹ … Das ist da, wo Schulz …«
»Ich weiß!«, rief Schneeganß.
Furmaniak ließ sich nicht beirren. »Und da ist mir die Frau des Wirts über den Weg gelaufen, Angela Wiederschein, früher mal Schauspielerin.«
Hinz hatte quasi mit offenen Augen geschlafen und erwachte erst wieder, als das Wort Wirtin fiel. »Frau Wirtin hatt’ auch einen Popen«, murmelte er. »Und der hatt’ im Hoden Isotopen …«
»Gisbert«, sagte Schneeganß. »Geh doch endlich nach Hause.« Und zu Furmaniak gewandt fuhr er fort: »Mein Kollege hat nämlich eine Sommergrippe und über 39 Grad Fieber.«
»Nein«, protestierte Hinz. »Das sind nur die Tabletten gegen meine Allergie, die mich so müde machen. Gräser, Beifuß, Roggen – das vertrag ich alles nicht. Aber was war denn nun mit dieser Frau Wirtin?«
Furmaniak war etwas irritiert, denn das Organisationsklima in einer Mordkommission hatte er sich nicht ganz so locker vorgestellt.
»Ja, nun …« So schnell fand er den Anschluss nicht mehr. »Ich bin mir sicher, dass ich sie schon vorher einmal gesehen habe, also die Frau Wiederschein, Angela Wiederschein.«
»Weil Sie da öfter essen gehen?«, fragte Hinz.
»Nein, ich war zum ersten Mal dort. Mein Professor hatte mich eingeladen. Ich selbst würde nie so viel Geld ausgeben. Also … Zum ersten Mal habe ich Frau Wiederschein gesehen, als ich mit dem Rad am Oder-Havel-Kanal entlanggefahren bin, kurz bevor ich den Porsche entdeckt habe. Da ist sie mir entgegengekommen … als Joggerin.«
»Was Sie nicht sagen!«, rief Schneeganß. »Und wie sicher sind Sie sich da?«
»Ziemlich sicher. Sie hatte zwar eine Mütze auf, tief ins Gesicht gezogen, und einen dicken Schal um, aber … Es ist nun mal ein markantes Gesicht. Die Nase, so ein dicker Zinken … wie bei der Steffi Graf.«
»Hm …« Schneeganß wollte Bedenkzeit gewinnen. »Dann danken wir Ihnen erst einmal sehr herzlich, Herr Furmaniak, nehmen das alles zu Protokoll und sehen dann weiter. Sie wahren bitte Stillschweigen gegenüber allen anderen und … hier ist mein Kärtchen, falls Ihnen noch etwas einfallen sollte. Wir hören auf alle Fälle voneinander.«
Schneeganß brachte Furmaniak höchstpersönlich zur Tür. Dann ließ er sich in seinen Drehsessel fallen und sah den Kollegen an. »Na, Gisbert, was sagst du dazu?«
»Hm …« Nach diesem ausführlichen Kommentar war Hinz ziemlich erschöpft und musste, Dranginkontinenz befürchtend, erst einmal dringend auf die Toilette. »Ich glaube, meine Prostata …«
»Ich weiß, unter Krebs tust
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