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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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rechten Bein hatte, was mir alle zwei Jahre einmal widerfährt. Dann bin ich aber doch erst eine S-Bahn später gefahren, weil ich zuvor meinen hinteren Reifen aufpumpen musste. Wer sollte vorher wissen, dass er gerade an diesem Tage undicht geworden war, welcher Himmelscomputer? Dies alles und Dutzende anderer plötzlicher Umstände haben dazu beigetragen, dass ich den Porsche im Wasser als Erster entdeckt habe.«
    »So viele Zufälle kann es gar nicht geben!«, rief Professor Schrobenhausen. »Das zeigt doch nur, dass unsere Welt im Innersten deterministisch ist: Alles ist kausal eindeutig vorherbestimmt. Sie sind vom Schicksal oder von Gott, ganz wie Sie wollen, vorgesehen gewesen – ich will nicht sagen: auserwählt worden –, den Wagen im Kanal zu entdecken, Sie und kein anderer. Sie interessieren sich für Fische, Sie kommen zu mir, weil ich der Fachmann dafür bin, wir kommen auf die Idee, den Fischbesatz brandenburgischer Kanäle zu erforschen, Sie wollen mit dem Oder-Havel-Kanal beginnen … Das ist doch ganz klar ersichtlich, dass alles ineinandergreift, nicht anders als bei einem Präzisionsuhrwerk.«
    Furmaniak lächelte. »Na schön, ich will Ihnen ein Stückchen entgegenkommen und es einmal so formulieren: Es gibt keinen Zufall, sondern lediglich eine Menge unbestimmter Faktoren, die wir nicht beeinflussen können.«
    Schrobenhausen hatte ein wenig den Faden verloren. »Ja, alles hängt mit allem zusammen, und eine Zeit lang habe ich ja der Chaostheorie meine Gunst geschenkt. Sie kennen den Schmetterlingseffekt, der bei komplexen Systemen auftritt, die ein deterministisches, chaotisches Verhalten zeigen. Übrigens: Haben Sie einmal etwas von Douglas Adams gehört?«
    Furmaniak musste passen. »Nein.«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief Schrobenhausen und hatte ganz vergessen, dass der Schmetterlingseffekt und der erwähnte Autor nichts mit seiner Biologie zu tun hatten. »Douglas Adams hat ›Per Anhalter durch die Galaxis‹ geschrieben – das muss ein gebildeter Mensch doch kennen. Er verwendet das Motiv des Schmetterlingseffekts häufig als Beschreibung für sehr unwahrscheinliche Ereignisse in einem großen System wie dem Universum.«
    Furmaniak nickte grinsend. »Dass ausgerechnet ich den Porsche von Schulz gefunden habe …?«
    »So ist es.« Schrobenhausen freute sich über seinen Erfolg und geriet weiter ins Plaudern. »Es ist schon ein komisches Gefühl, möglicherweise an demselben Tisch zu sitzen, an dem dieser verschwundene Autohändler gesessen hat, der Schulz. Sie finden seinen Porsche im Oder-Havel-Kanal, wir sitzen hier in dem Restaurant, vor dem er in seinen Wagen gestiegen ist, bevor er … Warum ist das so, warum hängt das alles miteinander zusammen? Wäre es ein Roman, würde ich sagen: Der Autor hat das alles so gefügt. Ist es aber das wahre Leben, so bleibt doch nur eine Schlussfolgerung: Ein unbegreiflich großer Regisseur muss da am Werke sein, einer, den wir als Gott bezeichnen. Ah, da kommt ja Pfarrer Eckel, hallo! Na, wenn das keine Bestätigung von oben ist, dass ich recht habe und nicht Sie!« Er winkte dem Geistlichen zu, bevor er begann, den Kriminalisten zu spielen und auch in dieser Profession seine Fähigkeiten zu offenbaren. »Dass Schulz verschwindet, steht längst im Drehbuch seines Lebens, also müssen wir nur in Erfahrung bringen, mit wem er in den Szenen zuvor in Interaktionen getreten ist.«
    »Wenn es denn eine Beziehungstat war«, schränkte Furmaniak ein. »Es könnte aber auch sein, dass er irgendwo zwischen Frohnau und Oranienburg angehalten hat, um jemanden mitzunehmen … Per Anhalter durch die Galaxis Brandenburg … Nein, ich will Sie nicht …!«
    »Überhaupt nicht, denn die Anhalterthese ist ja hochinteressant …«
    Ihr Wildlachs kam, und Professor Schrobenhausen lieferte wieder einmal den Beweis dafür, dass ihn seine Studenten nicht zu Unrecht ›Verschrobenhausen‹ nannten, denn mit einer kleinen Lupe, die er stets in seiner Jackentasche trug, suchte er, bevor er den ersten Bissen zum Munde führte, erst einmal nach Parasiten. »Nicht, dass ich um meine Gesundheit Angst hätte, aber ich bin nun einmal neugierig …«
    Matti Kemijärvi kannte die kleinen Macken des Biologen, und da Schrobenhausen Stammgast im ›à la world-carte‹ war, stellte er sich immer so, dass die anderen Gäste den Einsatz der Lupe nicht mitbekamen.
    »Nichts«, sagte Schrobenhausen bedauernd, steckte seine Lupe wieder ein und begann, sein Forschungsobjekt zu

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