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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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»Natürlich muss man bei dir aufpassen, was denn sonst?«
    Kurzrock verstand die Welt nicht mehr. »Was ist los?«
    »Eine Menge ist los, komm erst mal rein!« Vanessa trat zur Seite. Er quetschte sich an ihr vorbei, ging ins kleine Wohnzimmer und setzte sich an den Tisch. »Ich fühle mich richtig als Angeklagter …«
    »Das Gefühl kennst du ja«, sagte sie.
    Das saß, denn es ließ sich nicht abstreiten, dass er eine ganze Latte an Vorstrafen aufzuweisen hatte. Allesamt Jugendstrafen zwar, aber immerhin, zumeist Körperverletzung und Sachbeschädigung. So fragte er ziemlich kleinlaut, was denn nun sei. »Ich bin mir keiner Schuld bewusst …«
    »Und die 5.000 Mark?«, fragte Vanessa.
    »Welche 5.000 Mark?«, fragte er zurück.
    »Na, die plötzlich auf deinem Konto sind.«
    Kurzrock gab sich harmlos. »Die sind für unser Schlafzimmer, Nessie!«
    »Ich will wissen, wo die her sind?« Sie wurde immer mehr zur Staatsanwältin.
    »Woher weißt du überhaupt, dass ich 5.000 Mark auf meinem Konto habe?«
    »Na, woher wohl?« Sie war Bankkauffrau, und er hatte sein Konto bei ihrer Bank.
    »Und das Bankgeheimnis?«, rief er.
    »Lenk nicht ab, wo sind die her? Du, wenn du wieder ein Ding gedreht hast, dann ist es aus mit uns! Für immer! Das mach ich nicht mit!«
    Was blieb ihm da anderes übrig, als ein Geständnis abzulegen und ihr die Sache mit Schulz und Klütz zu erzählen.

7.
    In »Unterm Birnbaum« aber phantasierte er die Gestalt des freundlichen Mörders aus, den man harmlos-gutartig zu nennen versucht wäre, lernte man ihn nicht schon bald als Urheber einer raffiniert geplanten Untat kennen. (…) In der Literatur zu »Unterm Birnbaum« ist sogar die Meinung vertreten worden, die Novelle endete künstlerisch überzeugender, wenn dieser Mörder (…) unentdeckt geblieben wäre.
    (Helmuth Nürnberger, Nachwort zu ›Unterm Birnbaum‹, dtv 12372, S. 148)

     

     
    Gunnar Schneeganß saß am Schreibtisch und war sauer auf sich. Das lag an diesem verdammten Schulz. Einerseits hätte er dessen Verbleib gern geklärt, denn er hasste ungelöste Fälle und litt unter dem Zwang, alles, was er begonnen hatte, erfolgreich zu Ende zu bringen, andererseits war es ihm menschlich zutiefst egal, was aus diesem Kotzbrocken geworden war. Es gab durchaus Opfer, deren Schicksal ihn aufwühlte, aber Schulz gehörte bestimmt nicht dazu. Die Sache ganz einfach ad acta zu legen, wagte er nicht, denn einige Boulevardblätter hatten geradezu ein Preisausschreiben unter dem Motto ›Wo steckt Schulz?‹ gestartet und hielten die Sache am Köcheln, und immer wieder riefen Leute an, die ›zweckdienliche Hinweise‹ anzubieten hatten und auf die ausgelobten 25.000 Mark scharf waren. Besonders aktiv waren die Menschen zwischen Frohnau und Oranienburg, denn gängige Lesart war, dass Schulz in den knapp 30 Minuten nach seinem Start am ›à la world-carte‹ auf seinen Mörder gestoßen sein musste. Man stellte sich das so vor, dass der am Straßenrand gestanden und gewinkt hatte. Es musste ein Bekannter oder eine Bekannte gewesen sein, denn einen Fremden hätte Schulz ganz sicher nicht in seinem Porsche mitgenommen. Oder vielleicht doch, wenn es eine attraktive Frau gewesen war? Er soll ja kein Kostverächter gewesen sein und sogar einige Bordelle besitzen. Wer selber gerne Kriminalromane geschrieben hätte oder Tatort-Kommissar geworden wäre, konnte sich hier einmal so richtig austoben. Schneeganß hasste solche Leute, und auch Gisbert Hinz liebte sie nicht, weil sie ihm seine dienstliche Freizeit stahlen. Vor allem hätten sie diejenigen Hinweisgeber am liebsten auf den Mond geschossen, die auch noch so unverschämt waren, sie in ihrer Dienststelle aufzusuchen. Man erkannte sie schon an ihrem aggressiven Klopfen.
    »Nein, keiner da!«, rief denn auch Schneeganß und ließ einen Knurrlaut folgen.
    »Ich höre Sie doch«, kam es von draußen.
    Da es eine weibliche Stimme war, ließ sich Schneeganß erweichen, ein gnädiges »Ja, bitte« folgen zu lassen. Die junge Frau, die daraufhin hereinkam, war durchaus angetan, seinen Flirtreflex auszulösen, und sogar Gisbert Hinz, dem der Gedanke an die körperliche Liebe ansonsten eher Angst und Schrecken einjagte, starrte gebannt auf das, was unter dem hellen Sommerkleid zu erkennen war.
    »Bin ich hier richtig?«, fragte die junge Dame, die alles andere als schüchtern schien.
    »Bei mir sind Sie immer richtig«, antwortete Schneeganß. »Aber ich bin leider im Dienst …«
    »Bleiben Sie das

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