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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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ist fantastisch.«
    Sandra Schulz schüttelte sich. »Nein, kein Fisch.«
    »Wieso, bist du Vegetarierin?«
    »Nein, aber mein … aber Schulz könnte noch im Oder-Havel-Kanal liegen …«
    »Oh, Pardon!«
    Wiederschein führte die beiden ins Restaurant und bat Matti Kemijärvi wie auch Bharati, sie mit ganz besonderer Aufmerksamkeit zu behandeln. Er selbst bat um die Erlaubnis, sich für ein paar Minuten entfernen zu dürfen.
    »Ich will nur Angela holen, damit wir zu viert beim Essen ein wenig plaudern können.«
    Als Wiederschein durch den Flur ging, kreuzte Freddie seinen Weg. Er wollte schnell vorüber, doch sein Faktotum hielt ihn am Ärmel fest.
    »… kleinen Moment mal bitte!«
    »Was ist denn?« Wiederschein wollte schnell zu Angela, um ihr die Neuigkeit des Tages mitzuteilen, und reagierte etwas ungehalten.
    Freddie hielt ihm eine BahnCard First 25 hin, ausgestellt auf den Namen Siegfried Schulz und mit dessen Foto versehen.
    Wiederschein war kreideweiß geworden und stotterte. »Ja, klar, das ist seine, aber was soll ich damit, ich fahre nie mit der Bahn …«
    »Die hat hinten am Zaun gelegen«, sagte Freddie.
    Dabei streifte ihn der alte Gauner mit einem Blick, den man wissend nennen konnte. Sollte er alles durchschaut haben, aber den Mund halten, weil er andernfalls alles verloren hätte: sein sicheres Einkommen, sein Zuhause, seine Familie?
    Wiederschein fing sich wieder und versuchte, gelassen zu wirken. »Die wird er verloren haben, als er nachts pinkeln gegangen ist. Ich weiß, dass er Toiletten hasst und sich lieber im Freien an einen Baum stellt.« Mit viel Mühe hatte er bei seinem letzten Satz die Vergangenheitsform vermieden.
    »Ich wollte es Ihnen ja nur gesagt haben.«
    Damit entfernte sich Freddie in Richtung Weinkeller. Wiederschein sah ihm nachdenklich hinterher. Hatte Freddie Beweise, würde er anfangen, ihn zu erpressen? Und er ermahnte sich: Aufpassen, Wiederschein, aufpassen! Und nicht mehr blass werden. Kaltblütig sein, sonst gibt es noch ein Unglück!

     
    *
    Carola Laubach ging, obwohl sie eigentlich Atheistin war und keinen Pfennig Kirchensteuer zahlte, fast jeden Sonntagvormittag zur Kirche. Wie anders hätte sie sonst kompetent über die Predigten der Pfarrerinnen und Pfarrer herziehen können. Eine Bibel hatte sie zu Hause, und so würzte sie ihr Urteil über die Geistlichen stets mit einem Vers aus der Bibel, so zum Beispiel Hiob Kapitel 15, Verse 2 und 3: Soll ein weiser Mann so aufgeblasene Worte reden und seinen Bauch so blähen mit leeren Reden? Du verantwortest dich mit Worten, die nicht taugen, und dein Reden ist nichts nütze. Auch Matthäus Kapitel 22, Vers 14, ließ sich als Munition benutzen : Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Und ließ sich weder im Alten noch im Neuen Testament etwas Ätzendes finden, dann tat es auch Theodor Fontane : … Das ist immer das Schlimme, dass die Menschen gerade die Passion haben, die sie nicht haben sollen.
    Pfarrer Eckel bekam von ihr nie eine bessere Note als eine Vier minus, und das, was er sagte, hinterließ bei ihr keinerlei Wirkung, er predigte also bei ihr in der Tat nur tauben Ohren. An diesem Sonntag aber sollte das Wunder geschehen, dass er Worte fand, die ihr zu Herzen gingen.
    Eckel kam noch einmal auf das zurück, was im Garten des
›à la world-carte‹ geschehen und Rainer Wiederschein widerfahren war. Dazu wählte er als Einstieg eine Textstelle aus einem der weithin unbekannten prophetischen Bücher.
    »Bei Sacharja steht im 7. Kapitel, in den Versen 9 und 10 geschrieben: Richtet recht, und ein jeglicher beweise an seinem Bruder Güte und Barmherzigkeit; und tut nicht Unrecht den Witwen, Waisen, Fremdlingen und Armen; und denke keiner wider seinen Bruder etwas Arges in seinem Herzen. Nun, liebe Gemeinde, ein jeder von uns frage sich, wer denn im Fall des Toten im Garten unseres Gasthauses nicht auch einen Stein auf einen unserer Brüder geworfen hat? Es steht fest, dass unser Bruder Rainer Wiederschein keinen anderen Menschen umgebracht und unter seinem Kirschbaum vergraben hat, auch hier hat der Schein getrogen, und wir alle müssen ihm Abbitte leisten, einige mehr, andere weniger.«
    Dabei hatten sich alle Augen auf Carola Laubach gerichtet, und sie, die sonst nie einer in Verlegenheit bringen konnte, wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken, so sehr setzte das Kreuzfeuer so vieler Augen ihr zu. Sie verstand sich selbst nicht mehr und nickte nur leise mit dem Kopf, als würde sie von

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